Profil:Gustavo Petro

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Im dritten Anlauf ist Gustavo Petro zum Präsidenten Kolumbiens gewählt worden. (Foto: Daniel Munoz/AFP)

Vom Ex-Guerillero zum ersten linken Präsidenten Kolumbiens.

Von Christoph Gurk

Natürlich ist da diese Sache mit der Guerilla. Am Sonntag wurde in Kolumbien Gustavo Petro zum Präsidenten gewählt, dem ersten dezidiert linken Staatschef in der Geschichte seines Landes. Eine Zeitenwende, die viele Menschen mit großer Hoffnung erfüllt: "Wir schlagen heute ein neues Kapitel in der Geschichte Kolumbiens auf", sagte Gustavo Petro am Sonntag bei seiner Siegesfeier vor jubelnden Anhängern in Bogotá.

Gleichzeitig haben viele Kolumbianer aber auch große Angst. Schließlich hat Gustavo Petro nicht nur eine Vergangenheit als erfolgreicher linker Politiker hinter sich, er war eben auch einmal Mitglied in einer gewalttätigen Rebellengruppe, dem Movimiento 19 de abril, kurz M-19. Ein Ex-Guerillero als Präsident? Mit Petro, warnen konservative Kommentatoren, könnte Kolumbien sich nun in ein zweites Venezuela verwandeln, mit Sozialismus, Autoritarismus und Enteignungen. Das aber ist - gelinde gesagt - übertrieben. Denn Petro ist mehr Sozialdemokrat als Radikaler, vor allem aber ist sein Sieg nicht nur ein Erfolg für die Linke im Land, sondern dazu auch für die Demokratie in Südamerikas viertgrößter Nation.

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Gustavo Petro war gerade einmal 17 Jahre alt, als er dem M-19 beitrat. Ein Teenager, aufgewachsen am Rande von Bogotá in einem Lehrerhaushalt, ohne viel Luxus, dafür aber mit vielen Büchern. Er habe schon früh die Klassiker der spanischen Literatur und Philosophie gelesen, sagt Petro, Don Quijote und Jean-Jacques Rousseau: "Zusammen eine gefährliche Mischung".

Kolumbien war damals schon geprägt von sozialen Unruhen und Gewalt. Viele Menschen auf dem Land und am Rand der Städte lebten in bitterer Armut, gleichzeitig klammerte sich eine kleine reiche Elite an die Macht, mit Absprachen und notfalls auch Wahlbetrug. Als Reaktion darauf hatte sich das M-19 gebildet, ein Haufen von Schülern und Studenten, der zunächst vor allem durch träumerisch-revolutionäre Aktionen auffiel: Mal raubte man Lebensmittel, um sie an die Armen zu verteilen, ein andermal entführte die Guerilla den Säbel des südamerikanischen Unabhängigkeitshelden Simón Bolívar aus einem Museum.

Die Guerilla hat einen langen Weg hinter sich - von blutiger Gewalt zu politischer Partei

Bald aber kamen auch Geiselnahmen und Überfälle hinzu, es gab Verletzte und Tote, die Gewalt eskalierte, und nach einer besonders blutigen Aktion begann das M-19 Verhandlungen mit der Regierung. 1990 legte die Guerilla ihre Waffen nieder, wandelte sich in eine politische Partei und schrieb mit an einer neuen Verfassung für das Land.

Gustavo Petro war, nach allem was man weiß, an keiner Gewalttat des M-19 direkt beteiligt. Seine Aufgabe war es wohl vor allem, die Guerilla mit Waffen zu versorgen und diese zu verwalten. Er wurde deswegen verhaftet und saß im Gefängnis, nach seiner Freilassung ging er wie andere Mitglieder der Guerilla in die Politik. Petro wurde Abgeordneter, später Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá. Er deckte Skandale der konservativen Regierung auf und kandidierte bei Präsidentschaftswahlen. 2010 landete er abgeschlagen auf einem vierten Platz, 2018 immerhin in der Stichwahl.

Dass Petro nun, im dritten Anlauf, Erfolg hatte, hat auch viel mit den Veränderungen in Kolumbien zu tun: Das Land leidet noch immer unter einem bewaffneten Konflikt und struktureller Ungleichheit, 40 Prozent der Menschen leben unter der Armutsgrenze. Vor allem junge Kolumbianer fordern einen Kurswechsel: soziale Gerechtigkeit, Friede und Umweltschutz. Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren teils große Demonstrationen deswegen, und nun hat sich diese Forderung nach Wandel in den Wahlen niedergeschlagen.

Und egal was man von Petro hält: Dass sich in Kolumbien, einem der gewalttätigsten Länder Lateinamerikas nach Jahrzehnten des Konflikts und des Blutvergießens, der Bomben und der Massendemonstrationen, dass sich hier also ein friedlicher Machtwechsel dieser Größenordnung vollzieht, allein das ist schon ein Erfolg. Ein Grund zur Hoffnung, nicht zur Angst.

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