Hach, die Juristensprache! Die große Wohltat, die am Sonntag die sächsische Linkspartei gerade so vor dem Abgang in die außerparlamentarische Opposition gerettet hat, ist im Paragrafen 6 des Landeswahlgesetzes versteckt: „Bei Verteilung der Sitze auf die Landeslisten werden nur Parteien berücksichtigt, die mindestens fünf Prozent der abgegebenen gültigen Listenstimmen erhalten oder in mindestens zwei Wahlkreisen ein Direktmandat errungen haben.“ Die Linke profitiert jetzt von dieser Klausel, weil sie zwar landesweit nur 4,5 Prozent erreicht hat, aber immerhin die Wahlkreise Leipzig 1 und 2 mit Nam Duy Nguyen und Juliane Nagel direkt gewonnen hat. Die sogenannte Grundmandatsklausel ist Minderheitenschutz: Auch in drei weiteren Bundesländern – Brandenburg, Berlin und Schleswig-Holstein – bewahrt sie kleine Parteien, die unter der Fünfprozenthürde landen, vor dem Absturz. Dort braucht es allerdings nicht bloß zwei, sondern drei direkt gewonnene Wahlkreise – ebenso wie im Bund. Dort übrigens gab es rund um das Thema zuletzt Streit. Die Ampelparteien wollten diesen Minderheitenschutz abschaffen. Erst das Bundesverfassungsgericht führte ihn wieder ein. Statt Grundmandatsklausel heißt es im Bund jetzt aber „Wahlkreisklausel“. Weil es nach dem neuen Bundestagswahlrecht keine Direktmandate mehr geben wird, sondern nur noch „Wahlkreiserste“. Hach, die Juristensprache.
Aktuelles Lexikon:Grundmandatsklausel

Ein Wortungetüm aus der Juristensprache mit ganz praktischem Nutzen wie jetzt in Sachsen: Es schützt Minderheiten, politische Minderheiten.
Von Ronen Steinke

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