Großbritannien:Der Scharfmacher ist endlich weg

Die Hardcore-Brexiteers in der Regierung werden nicht mehr gebraucht und sind am Ende. Ob aber Premier Johnson den Briten nach dem Ausscheiden seines Chefberaters und Scharfmachers mehr Ruhe und Verlässlichkeit gönnt, ist noch nicht ausgemacht.

Von Alexander Mühlauer

Der Rückzug von Boris Johnsons Chefberater ist eine gewaltige Zäsur für die Regierung in London. Dominic Cummings stand wie kein Zweiter für den radikalen Brexit-Kurs des Premiers. Sein Abgang bedeutet das Aus für die Vote-Leave-Gang im Zentrum der Macht. Die Hardcore-Brexiteers sind am Ende. Johnson hat recht, dass er sich von ihnen trennt. Er braucht sie jetzt nicht mehr. Zum Jahreswechsel endet die Brexit-Übergangsphase, vom 1. Januar an wird das Vereinigte Königreich das sein, was Johnson unter einem souveränen Staat versteht.

Cummings war für den Premier lange Zeit unverzichtbar. Der Vordenker der Leave-Kampagne erfand den genialen Slogan "Get Brexit done" und hatte damit einen großen Anteil an Johnsons Wahlsieg. Der Politstratege rückte die Tories so weit nach rechts, dass die Brexit Party von Nigel Farage überflüssig wurde. Dass die Konservative Partei seitdem keine konservative Partei mehr ist, war Cummings vollkommen egal.

In der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass der konfrontative Politikstil à la Cummings nicht mehr funktioniert. Nach den anstrengenden Brexit-Jahren gibt es im Vereinigten Königreich eine Sehnsucht nach mehr Ruhe und Verlässlichkeit in der Regierung. Ob Johnson das wirklich verstanden hat, wird sich jetzt zeigen: Er sollte endlich ein Freihandelsabkommen mit der EU schließen, um weiteren Schaden von seinem Land abzuwenden. Die Gefahr des Scheiterns ist noch nicht gebannt - aber mit Cummings' Abgang ist ein Deal sehr viel wahrscheinlicher geworden.

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