Süddeutsche Zeitung

Griechenland:Krisenmanager der leisen Töne

Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis bemüht sich angesichts der verheerenden Waldbrände im Land um ein versöhnliches Miteinander.

Von Tobias Zick

Sein vergleichsweise leises Auftreten hat sich Kyriakos Mitsotakis, 53, auch in der Feuerkatastrophe bewahrt. In einer Fernsehansprache bat er seine Griechen um Entschuldigung für "jegliche Schwächen", die es bei der Bekämpfung der Brände gegeben habe: "Wir haben alles getan, was menschenmöglich war, aber das war offenbar in vielen Fällen nicht genug angesichts dieses ungleichen Kampfes mit der Natur."

Damit wollte die Opposition in Athen die Regierung dann doch nicht davonkommen lassen. Die linke Partei Syriza warf Mitsotakis vor, er sei bei den Schwächen, die er andeutete, sehr vage geblieben; dabei gebe es durchaus Konkretes zu benennen: Der Syriza-Vorsitzende Alexis Tsipras, Mitsotakis' Vorgänger im Amt des Premiers, warf ihm vor, die Erkenntnisse des sogenannten Goldammer-Berichts "begraben" zu haben. Ein Komitee, benannt nach seinem Leiter, dem Freiburger Feuerökologen Johann Georg Goldammer, hatte im Auftrag der damaligen Syriza-Regierung die Ursachen für die Feuerkatastrophe aufgearbeitet, die im Jahr 2018 den Athener Vorort Mati verwüstete.

Bei den Feuern 2018 gab es keine systematischen Evakuierungen

Damals starben 102 Menschen; einige von ihnen ertranken auf der Flucht vor den Flammen ins Meer, andere verbrannten an Ort und Stelle. Eine systematische Evakuierung durch die Behörden gab es nicht. Kyriakos Mitsotakis, damals noch Oppositionsführer, lobte den Bericht und nannte ihn eine "Blaupause" für das, was seine Partei, die konservative Nea Dimokratia, unternehmen werde, wenn sie an die Regierung komme. An deren Wahlsieg im Juli 2019 hatte dann nicht zuletzt der Unmut vieler Menschen über das Regierungsversagen in der Katastrophe von Mati seinen Anteil.

Jetzt sieht sich Mitsotakis dem Vorwurf ausgesetzt, er habe seinen damaligen Ankündigungen als Oppositionsführer zu wenige Taten folgen lassen: Die Regierung habe sich in der aktuellen Krise weitgehend auf Evakuierungen konzentriert und auf Löscharbeiten aus der Luft - die langfristige Stärkung der Feuerwehren am Boden und die Brandvorsorge im Allgemeinen aber vernachlässigt.

Dabei kann dem Premier niemand vorhalten, ihm fehle der fachliche Hintergrund: Einige Jahre nachdem er seine Finanzkarriere - mit Stationen bei McKinsey und der griechischen Nationalbank - hinter sich gelassen hatte und in die Politik gewechselt war, saß er von 2007 bis 2009 dem Umweltausschuss im Parlament vor, in der Zeit nahm er an mehreren internationalen Klimagipfeln teil. Und im September 2019 tat er dies erstmalig in der Rolle als Regierungschef. Seine Rede vor dem New Yorker UN-Klimagipfel begann er mit einer Schilderung des Feuers von Mati im Jahr zuvor. Solche extremen Wetterereignisse seien, so sagte er, "eine direkte Folge des Klimawandels". Respekt für die Natur habe seinerzeit im Zentrum des Denkens antiker griechischer Philosophen gestanden; ihnen sei bewusst gewesen, wie gefährlich es sei, das "empfindliche Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur" zu stören. Die alten Griechen hätten jedoch noch keinen Zugang zu wissenschaftlichen Fakten gehabt; "sie stellten nur Hypothesen auf. Wir haben diese Entschuldigung nicht, und dennoch haben wir es versäumt zu handeln". Dann stellte er die Klimaschutzpläne seiner neuen Regierung vor, etwa den Ausstieg aus der Kohlekraft bis spätestens 2028.

Dieses Jahr hat die Regierung die Deadline auf 2025 vorgezogen, Wind- und Sonnenenergie sollen massiv ausgebaut werden, etwa mit Geld aus dem großen Wiederaufbauprogramm "Next Generation EU". Die Wiederaufforstung von Wäldern steht auch schon seit Längerem im Plan - die Mittel dafür sollen nun, aus aktuellem Anlass, massiv aufgestockt werden. Und auch mit Blick auf den Wiederaufbau der von den Bränden verwüsteten Gebiete müht sich Mitsotakis um ein einigermaßen konstruktives Miteinander: Die Opposition habe ihrerseits Vorschläge präsentiert, "denen man schwerlich nicht zustimmen kann". Bisher scheint die eher versöhnliche Strategie aufzugehen.

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