"Lieber Herr Professor", so begann der Geschäftsführer der Klinik sein Jahresgespräch mit dem Chefarzt, "bei siebzig Prozent der Patienten konnten wir einen Gewinn erzielen; bei dreißig Prozent haben wir jedoch deutlich rote Zahlen geschrieben. Ich freue mich, dass wir trotzdem insgesamt ein kleines Plus erwirtschaftet haben." Beim Chefarzt stellte sich Erleichterung ein. Doch dann fuhr der Geschäftsführer fort: "Bevor Sie wieder gehen, lieber Professor, nennen Sie mir bitte noch ein wirtschaftliches Argument, warum ich jene dreißig Prozent Verlustpatienten - wir beide wissen, welche Krankheiten sie haben - im neuen Jahr noch aufnehmen und behandeln soll." Zunächst etwas irritiert, aber dann sehr bestimmt antwortete der Chefarzt: "Das wirtschaftliche Argument bin ich! In dem Augenblick, in dem Sie das machen, kündige ich." Die Szene stammt aus den ersten Jahren nach der Einführung der Fallpauschale.
Medizin:Der Markt heilt die Kranken nicht
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Über die Heilungschancen entscheidet auch, wie empathisch Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte in der Klinik sind - und wie viel Zeit und Energie ihnen dafür bleibt.
(Foto: IMAGO/imageBROKER/Oleksandr Latkun/IMAGO/imagebroker)Revolution und Gegenrevolution im Gesundheitswesen: Warum in den Kliniken die Wiederentdeckung des Gemeinwohls so wichtig ist.
Kolumne von Heribert Prantl
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