Süddeutsche Zeitung

Neupatientenregelung:Lauterbachs Flickschusterei

Lesezeit: 1 min

Um den defizitären Krankenkassen zu helfen, streicht der Gesundheitsminister den Ärzten einen Zuschlag. Bezahlen dafür muss und wird am Ende der Patient.

Kommentar von Michaela Schwinn

Hunderte Berliner Ärzte schließen für einen Tag ihre Praxis - aus Protest gegen finanzielle Einbußen. Manchem mag diese Meldung ein Seufzen entlocken, ähnlich wie neulich die Streiks der Lufthansa-Piloten: Verdienen die nicht schon genug Geld? Wenn es nach Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geht, sollen Ärzte und Ärztinnen kommendes Jahr auf ihre Extra- Vergütung verzichten, wenn sie neue Patienten behandeln. Eine Regelung, die erst vor drei Jahren eingeführt wurde, um die Wartezeiten in den Praxen zu verkürzen. Diese soll nun wegfallen, um Geld einzusparen, weil das die defizitären Krankenkassen dringend brauchen.

Es ist richtig, dass der Bund, die Pharmaindustrie, aber eben auch die niedergelassenen Ärzte einen Solidarbeitrag leisten, um die Finanzen der Kassen zu sanieren. Denn es kann nicht sein, dass die Beitragszahler die gesamte Last alleine schultern. Und vermutlich wird keine Arztpraxis pleitegehen, nur weil die Regelung für die Neupatienten wegfällt.

Aber es ist naiv zu glauben, dass sich durch den Sparzwang nichts an der Versorgung der Patienten ändern wird - so wie es das Gesundheitsministerium den Bürgern weismachen will. Die Mediziner und Medizinerinnen werden Konsequenzen ziehen: Vielen haben angekündigt, ihre Arbeitsstunden zurückzufahren, weniger Termine anzubieten. Wer das letztlich ausbaden muss, sind die Patienten.

Umso ärgerlicher ist es, dass die geplante Finanzreform nicht mehr ist als reine Krisenverwaltung. Das gesamte Gesundheitssystem in Deutschland gehört endlich überprüft - egal ob Krankenhäuser, Arztpraxen oder Krankenkassen.

Wie kann effizienter gearbeitet werden? Welche Leistungen sind wirklich notwendig? Und wie bleibt das alles bezahlbar, wenn die Menschen immer älter und kränker werden? Solange Fragen wie diese ungeklärt sind, bleibt es bei Lauterbachs provisorischer Lösung - die die Krankenkassen vielleicht über das kommende Jahr retten wird. Aber eben nur über dieses.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5655549
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.