Ist es das Los der SPD-Kanzler, die Vertrauensfrage stellen zu müssen? Willy Brandt war der erste, der dies tat, im September 1972. Zuvor hatte er eine Abstimmung über den Haushalt verloren, nun wollte er Neuwahlen herbeiführen– in dieser Hinsicht ähnelte seine Lage der von Olaf Scholz in diesen Tagen: Der unmittelbare Anlass fürs Scheitern von dessen Koalition ist ja ebenfalls Uneinigkeit über den Haushalt. Auch Helmut Schmidt und Gerhard Schröder stellten die Vertrauensfrage. Schmidt (1982) und Schröder (2001) wollten damit jeweils Mehrheiten für ihre Politik erzwingen. Schröder stellte sie 2005 erneut – wie einst Brandt und auch Helmut Kohl (1982) mit dem Ziel, Neuwahlen herbeizuführen. Kohl war der einzige CDU-Kanzler, der je dieses Instrument benutzte. Er behauptete sich nach der Neuwahl im Amt, wie Brandt 1972, wohingegen Schröder 2005 abtreten musste. Nun also ist Scholz damit dran, der vierte aller SPD-Bundeskanzler. Er will sie verlieren, um danach die Wahl zu gewinnen. Glückauf, sagt man in der SPD wohl dazu.
Geschichtsbild:Der Kanzler stellt die Vertrauensfrage

Willy Brandt tat dies 1972 als Erster, danach wurde das Instrument bisher viermal eingesetzt – fast immer von SPD-Amtsinhabern.
Von Detlef Esslinger
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