Profil:Der Konfliktlöser

Profil: Gerhart Baum war einst FDP-Innenminister und hat als Anwalt schon viele Opfer und deren Angehörige vertreten.

Gerhart Baum war einst FDP-Innenminister und hat als Anwalt schon viele Opfer und deren Angehörige vertreten.

(Foto: Metodi Popow/Imago)

Der einstige FDP-Politiker und Rechtsanwalt Gerhart Baum hat mit knapp 90 Jahren Historisches erreicht: eine Einigung mit den Opferfamilien des Olympia-Attentats von 1972.

Von Uwe Ritzer

In der Aufarbeitung von Krisen, Konflikten und Katastrophen hat Gerhart Rudolf Baum im Laufe seines 89-jährigen Lebens reichlich Erfahrung gesammelt. Nicht nur als Bundesinnenminister der FDP in den vom Kampf gegen den RAF-Terrorismus geprägten Jahren 1978 bis 1982, sondern auch als Jurist. Nachdem er 1992 nach 22 Jahren als Abgeordneter aus dem Bundestag ausgeschieden war, vertrat er russische Zwangsarbeiter im Kampf um deutsche Entschädigung für erlittenes Unrecht im NS-Staat. Auch Angehörige und Opfer des Flugshow-Unglücks in Ramstein 1988 sowie des Absturzes der Überschallmaschine Concorde im Jahr 2000 gehörten bereits zu den Mandanten des Rechtsanwalts Baum. Wie auch Betroffene der Loveparade-Katastrophe 2010. Anfang der Woche ist es es ihm nun gelungen, einen Konflikt zu lösen, der andernfalls zu einem deutsch-israelischen Eklat auf offener Weltbühne geführt hätte. Als Vertreter der israelischen Opferfamilien des Olympia-Attentats von 1972 in München war er in der Endphase der Verhandlungen federführend an der Lösung des Entschädigungsstreits beteiligt.

Die Formulierung, die Bundesregierung und er - namens der Hinterbliebenen jener elf Olympiateilnehmer, die von palästinensischen Terroristen ermordet worden waren - hätten einen Kompromiss ausgehandelt, weist Gerhart Baum von sich. Da sei nicht klassischerweise gehandelt worden, sagt er. Statt dessen sei es darum gegangen, "die Vorstellungen der beiden Seiten in Einklang zu bringen" und "beide Seiten von ihren extremen Positionen runterzuholen". Das Ergebnis sei eine sehr komplexe Vereinbarung, es greife viel zu kurz, diese auf die finanzielle Entschädigung zu reduzieren, sagt Baum. "Da wurde weit mehr vereinbart." Dem Vernehmen nach zahlt die Bundesrepublik insgesamt 28 Millionen Euro "Anerkennungsleistungen", wie es offiziell heißt, an die Hinterbliebenen. Zudem wurde die grundlegende wissenschaftliche Aufarbeitung des Geschehens durch eine deutsch-israelische Historikerkommission vereinbart. Und die Bundesrepublik bekennt sich nach 50 Jahren erstmals explizit zur Mitverantwortung für die damaligen Versäumnisse und Pannen der überforderten, unvorbereiteten deutschen Sicherheitsorgane.

Erst vor drei Wochen hatte Baum das Mandat übernommen

Zu den Details der Übereinkunft will Baum nichts sagen; anwaltliche Verschwiegenheit. Von seinem Wirken in der Angelegenheit bekam bis kurz vor der Einigung kaum jemand etwas mit. Zunächst war es eine auf Völkerrecht spezialisierte Kanzlei aus Amsterdam, welche die Hinterbliebenen vertrat, doch die Gespräche bissen sich fest. Der Ton seitens der Israelis wurde unversöhnlicher, ihr Vertrauen in eine faire Behandlung durch die Bundesregierung war gestört, nicht zum ersten Mal seit 1972. Vor drei Wochen übertrugen sämtliche israelischen Opferfamilien das Mandat zusätzlich an Gerhart Baum. In der Bundesregierung war es Aufgabe von Innenstaatssekretärin Juliane Seifert, die durchaus unterschiedlichen Vorstellungen von insgesamt vier beteiligten Ressorts sowie der bayerischen Staatsregierung zu bündeln. "Am Ende ging es nicht mehr um juristische Fragen, sondern es musste eine politische Entscheidung getroffen werden", sagt Gerhart Baum.

Ihn selbst habe nicht nur die Aufgabe angetrieben, die Interessen seiner Mandanten zu vertreten, wie es nun mal Aufgabe von Anwälten ist. Der Schmerz, den sehr viele Angehörige auch nach 50 Jahren noch empfinden, hat Baum nach eigenen Worten beeindruckt. Den Politiker in ihm hat auch die Sorge um die so besonderen deutsch-israelischen Beziehungen begleitet. Zweifellos hätten sie Schaden genommen, hätten die Angehörigen und damit auch der israelische Präsident Isaac Herzog die Gedenkfeier am kommenden Montag in Fürstenfeldbruck boykottiert. Was ohne vorherige Einigung im Entschädigungsstreit der Fall gewesen wäre. Das hat Baum verhindert, keine schlechte Leistung für jemanden, der in knapp zwei Monaten 90 Jahre alt wird.

Redaktionelle Anmerkung:

Durch die ursprünglichen Formulierungen "Als Vertreter der israelischen Opferfamilien des Olympia-Attentats von 1972 in München war er an der Lösung des Entschädigungsstreits beteiligt." sowie "Vor drei Wochen übertrugen sämtliche israelischen Opferfamilien Gerhart Baum das Mandat." sollte nicht der Eindruck erweckt werden, die ursprünglich beauftragte Kanzlei aus den Niederlanden sei mit dem Fall gar nicht mehr befasst. Die Kanzlei war nach eigener Aussage bis zum Abschluss an den Gesprächen mit der Bundesregierung im Auftrag der Hinterbliebenenfamilien beteiligt. Ihr Wirken war demnach lediglich im Hinblick auf eine Einigung über die Höhe der Entschädigung der Opfer nicht erfolgreich.

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