Süddeutsche Zeitung

GDL-Streik bei der Deutschen Bahn:Vor einem Sommer der Wut

Die Deutsche Bahn und die Lokführer sollten ihren Tarifstreit diesmal nicht auf dem Rücken der Passagiere austragen - vor allem die kampfgewohnte Gewerkschaft GDL kann diesmal nicht auf viel Verständnis hoffen.

Kommentar von Markus Balser

Die Scheinwerfer leuchteten, der rote Teppich war ausgerollt: Eigentlich wollte die Bahn am Dienstag die Rückkehr zur Normalität auf Deutschlands Gleisen feiern. Der halbe Berliner Hauptbahnhof war gesperrt, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dort am Mittag auf Gleis 1 einen neuen extralangen ICE auf den staatstragenden Namen "Bundesrepublik Deutschland" taufte.

Weißer Zug, schwarz-rot-goldener Streifen, flache Nase: Das neue Flaggschiff der Schnellzugflotte soll für Aufbruch stehen. Es kann mehr Passagiere als alle Vorgänger transportieren. Für die von der schwersten Krise seit Jahrzehnten gebeutelte Bahn ist der Zug ein Symbol. Schließlich laufen viele Corona-Maßnahmen aus. Die Sommer-Reisewelle beginnt. Und damit auch der Versuch, die Fahrgäste in die Züge zurückzuholen.

Doch ein normaler Sommer wird es erst mal nicht bei der Bahn. Die Lokführer-Gewerkschaft GDL und ihr streitbarer Chef Claus Weselsky kündigten noch während der Feierstunde einen Arbeitskampf an - es sind die ersten Streiks seit drei Jahren. Für die Bahn ist das ein harter Schlag. Immer wieder hat die Spartengewerkschaft in der Vergangenheit bewiesen, wie schnell sie ihre Mitglieder mobilisieren, wie wirksam sie den Bahnverkehr in Deutschland lahmlegen kann. Immer wieder waren Millionen Pendler und Reisende von den Streiks der GDL betroffen.

Arbeitskämpfe kommen den von ihnen Betroffenen selten gelegen. Aus gutem Grund haben Arbeitnehmer das Recht auf Streiks. Oft sind sie die einzige Möglichkeit für die Beschäftigten gegenüber den Managern, an schlechten Arbeitsbedingungen etwas zu bewegen. Doch diesmal ist die Strategie der GDL riskant. Wie in vielen Tarifrunden der vergangenen Jahre setzt Weselsky schon zum Start der Verhandlungen auf maximale Konfrontation. Der Kollateralschaden könnte diesmal groß sein. Denn auf großes Verständnis für maximale Lohnforderungen in Krisenzeiten kann Weselskys GDL in diesem Sommer kaum hoffen. Der Ärger über Stillstand wäre in Deutschland enorm.

Auch die Bahn muss sich bewegen. Denn es geht um Grundsätzliches im Konzern. Die GDL sieht ihren Einfluss schwinden, weil neue Gesetze Spartengewerkschaften wie ihr das Leben schwer machen. Der Konzern könnte seinerseits den Streit mit anderen Gewerkschaften moderieren. Bahn und Gewerkschaften sollten jedenfalls alles daran setzen, den Tarifkampf diesmal nicht auf dem Rücken der Passagiere auszutragen.

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