Film und Fernsehen:"Ich mache keine Krimis, die gehen ja immer gut aus"

Film und Fernsehen: Die promovierte Historikerin Gabriela Sperl weiß, wie man einen Sender von einem Filmprojekt überzeugt.

Die promovierte Historikerin Gabriela Sperl weiß, wie man einen Sender von einem Filmprojekt überzeugt.

(Foto: Annette Riedl/picture alliance/dpa)

Die Filmproduzentin Gabriela Sperl ist mit politischen Filmen erfolgreich - und erhält nun den renommierten Carl-Laemmle-Preis für ihr Lebenswerk.

Von Claudia Tieschky

Am Morgen, nachdem Großbritannien für den Brexit gestimmt hatte, saß Gabriela Sperl heulend im Bett, sie konnte es einfach nicht fassen. Und dann machte sie einen hinreißenden Film. Sie brachte in einer Initiative mit der Hochschule für Fernsehen und Film München junge Regisseure von Norwegen bis Italien zusammen unter dem sehr eindeutigen und genau so gemeinten Titel: "Love Europe Project".

Der Produzentin und Drehbuchautorin Gabriela Sperl, 70, würde man nicht gleich Tränen zutrauen, wenn man sie bei einer Filmveranstaltung sieht. Eine dünne, gut gekleidete Person; beim Party-Geflüster "Da ist die Sperl!" klingt Ehrfurcht mit. Es könnte zum Beispiel bei einer jener Preisverleihungen sein, bei denen sich auch öffentlich-rechtliche Hierarchen gern für Projekte feiern lassen, die zu machen die Sperl sie gezwungen hat.

Gezwungen ist natürlich übertrieben, aber Gabriela Sperl hat nun einmal den Ruf, dass sie Leute in Sendern dazu bringen kann, einen Film zu machen, den die sich so nicht getraut hätten - einfach deshalb, weil sie, die Sperl, zutiefst davon überzeugt ist, dass es sein muss: "Operation Zucker" zum Beispiel, ihr Film über Kinderhandel, der ohne Hoffnung endet. Die Trilogie "Mitten in Deutschland: NSU" - drei Thriller, die im ARD-Hauptprogramm die rechtsextremen Morde aus der Perspektive der Täter, der Opfer und der Ermittler erzählen. Oder eben "Love Europe Project".

In der Berufsgruppe der Produzenten ist sie eine Nummer für sich

Film- und Fernsehproduzenten sind in Deutschland nach Bernd Eichinger nicht unbedingt Stars, aber langweilige Typen sind sie auch nicht. In dieser an Überzeugungstätern nicht armen Berufsgruppe ist Gabriela Sperl noch mal eine Nummer für sich. Für ihr Werk, also die Summe der Filmstoffe, die durch Fügung zu ihr gekommen sind, wie sie das nennt (und nur solche Filme macht sie), erhält sie an diesem Donnerstag den Carl-Laemmle-Produzentenpreis, benannt nach dem im oberschwäbischen Laupheim geborenen Unternehmer, der einst in Hollywood eine Hühnerfarm kaufte und darauf die Universal Studios baute.

Es geht auch ohne Hühnerfarm: Die promovierte Historikerin Sperl arbeitete lange als freie Dramaturgin für den BR und war dort bis 2002 vier Jahre lang Fernsehspielchefin. Seither arbeitet sie als bestens vernetzte freie Produzentin meist projektbezogen für große Produktionsfirmen. In München lebt sie immer noch, trotz der vielen Pendelei nach Berlin - auch, weil sie "den sehr viel kleineren Radius genießt" und vom Lehel aus, ihrem Viertel, alles zu Fuß oder mit dem Rad erreichen kann.

Die Branche hat mit den Folgen von Corona arg zu kämpfen

Sie steckt wieder, wie so oft, mit Haut und Haar in was drin. "Mein Herrhausen-Projekt brennt!", hat sie gemailt. Wie oft es brennt in einem Produzentenleben? "Immer! Fast immer!" Es folgt ein ironischer Exkurs über das Austreten kleiner Schwelbrände. Aber für das Problem mit ihrem eigentlich durchfinanzierten Vierteiler über den Mord an dem Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen, den sie bei der Berliner XFilme mit RBB, HR und Degeto realisiert, nennt sie Gründe, mit denen gerade viele Produzenten kämpfen.

Da sind die Kosten durch Corona: "Wenn der Ausfallfonds Ende Juni ausläuft und nicht verlängert wird, dann wird es für jeden existenziell." In den vergangenen zwei Jahren seien zudem alle Kosten gestiegen, teils um mehr als 20 Prozent, dazu treibt enormer Fachkräftemangel die Preise, dank der Streamingdienste wird so viel wie nie produziert. "Das ist großartig, wird aber bei Budgets, die lange vorher mit den Sendern verabredet sind, mehr und mehr zum Problem, wenn diese Budgets nicht mitwachsen."

Typischerweise ist auch ihr neues Projekt politisch, denn "ich finde halt die Realität so wahnsinnig spannend. Vieles, was passiert, kann sich keine Autorin und kein Autor in den kühnsten Fantasien ausdenken". Fast erübrigt sich die Frage, ob sie mit ihren Filmen auf den Zustand der Gesellschaft zielt. Von ihr ein Lachen. "Deswegen mache ich keine Krimis, die gehen ja immer gut aus."

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