Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Alte Freundin Chinas

In Peking kein umgangssprachlicher Ausdruck, sondern eine Ehrenbezeichnung - jetzt für Angela Merkel.

Von Lea Sahay

Es ist eine zweifelhafte Würdigung, die Chinas Präsident Xi Jinping der scheidenden Bundeskanzlerin bei ihrem Abschiedstelefonat diese Woche zuteil werden ließ. So erklärte er, Angela Merkel sei eine "alte Freundin des chinesischen Volkes". Nur 600 Menschen wurden mit diesem Pekinger Ehrentitel bisher bedacht, wie ein chinesischer Journalist zusammengerechnet hat. Es ist eine Liste, unter der sich mit Persönlichkeiten wie dem früheren libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi und dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad so viele Diktatoren und Autokraten befinden, dass man sich in China während des Arabischen Frühlings einen Scherz erzählte. Demnach seien die drei am stärksten bedrohten Tiere der Welt: Pandas, die Affenart der Goldstumpfnasen und "die alten Freunde Chinas". Im Laufe der Jahrzehnte hat sich das politische Klima im Land zwar immer wieder verändert, und damit auch die Kriterien für eine Ehrung. Dennoch haben die Träger alle etwas gemein: Sie sind nicht immer dem Volk, sicher aber zu jeder Zeit der Kommunistischen Partei bei ihrem Machterhalt nützlich gewesen. Insofern kann man die Wertschätzung für Merkel durchaus als eine Kommentierung ihrer China-Politik seitens Xi verstehen. Ob Merkel die "alte Freundin" daher als schmeichelhaft empfindet, muss sie selber für sich herausfinden.

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