Frauenrechte:Werte, die sich widersprechen

Lesezeit: 1 min

Nun äußert sich auch Außenministerin Annalena Baerbock zu den Protesten in Iran. Ihr Zögern könnte einen Grund haben.

Kommentar von Sonja Zekri

Annalena Baerbock äußert sich zu Iran jetzt ganz deutlich. Wer Frauen und Mädchen auf der Straße verprügele, Menschen, die frei leben wollen, zum Tode verurteile, stehe "auf der falschen Seite der Geschichte", sagte sie der Bild. Abgesehen von der Frage, ob das Geschichtsverständnis der Außenministerin wirklich dasselbe ist wie das der iranischen Herrscher, muss man festhalten: Die Chefdiplomatin einer "feministischen Außenpolitik" hat sich mit der Verurteilung des Regimes in Teheran Zeit gelassen. Stars und Künstlerinnen auf der ganzen Welt hatten sich aus Solidarität mit den Iranerinnen Haarsträhnen abgeschnitten, Baerbock aber schwieg vor sich hin. Erst Wochen nach Beginn der Proteste kündigte sie nun neue Sanktionen an. Ein Teil der deutschen Öffentlichkeit dürfte aufatmen. Wie kann man schweigen zu der herzzerreißenden Tapferkeit, mit der Frauen für ein Minimum an Selbstbestimmung ihr Leben riskieren? Soeben haben iranische Oppositionelle das Staatsfernsehen gehackt, während die Proteste auf der Straße zusehends gewalttätiger werden.

Ein Teil von Baerbocks Behörde aber fand die Zurückhaltung der Ministerin womöglich nicht schlecht. Soll man das Leben deutscher Staatsbürger in Iran oder die Wiederaufnahme der Gespräche über das Atomprogramm für ein paar Formulierungen riskieren? Baerbocks Verdruckstheit ist ein Beispiel dafür, dass nicht nur der Begriff der "wertegeleiteten Außenpolitik" ein Widerspruch in sich ist, denn Werte sind etwas Absolutes, Außenpolitik hingegen ist manchmal die Entscheidung für die am wenigsten schlechte Variante. Sondern dass Werte sich widersprechen können: Sind die Rechte der Iranerinnen wichtiger oder ist es die Stabilität in der Region? Solche Widersprüche konnte man kürzlich gut bei einer Reise von Baerbocks grünem Parteikollegen Robert Habeck beobachten. Von Russland will Deutschland kein Gas mehr kaufen und wandte sich an die arabischen Autokraten. Und am Golf war über feministische Außenpolitik kein Wort zu hören.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: