Karriere:Nicht nach Schönheitsidealen sortieren

Karriere: Einige Frauen versuchen auch, weniger attraktiv zu wirken, um endlich ernst genommen zu werden.

Einige Frauen versuchen auch, weniger attraktiv zu wirken, um endlich ernst genommen zu werden.

(Foto: rawpixel/Unsplash)

Wer als Frau Karriere machen will, darf den Entscheidern nicht zu dick und nicht zu dünn sein, nicht zu viel Make-up auftragen und nicht zu wenig. Geht's noch? Chefs und Personaler müssen lernen, Äußerlichkeiten zu ignorieren.

Kommentar von Kathrin Werner

Der Mensch an sich sieht ulkig aus. Weitgehend nackt, rechts und links am Kopf knorpelige Knubbel, ellenlange Wabbelarme. Wir sind offenbar eine Spezies, deren Vorzüge eher durchs Hirn als durch den Körper hervortreten. Absurderweise gibt es trotzdem Schönheitsideale, nach denen wir sortieren. Und aussortieren - vor allem Frauen.

Wer als Frau im Beruf Erfolg haben will, muss den Idealen entsprechen, allerdings nicht zu sehr. Unattraktive Menschen, ganz besonders Frauen, haben es bei Bewerbungsgesprächen schwerer, werden oft gar nicht erst eingeladen. Bei Gehaltsvergleichen schneiden sie meist schlechter ab. So weit, so erwartbar. Doch das Gegenteil stimmt auch. Eine neue Studie der Washington State University ergab, dass schöne Geschäftsfrauen als weniger vertrauenswürdig und ehrlich gelten - und eher als diejenigen, die man feuern sollte. "Femme-fatale-Effekt" nannten die Forscherinnen das Phänomen. Anekdoten bestätigen die Forschung. Eileen Carey etwa, Chefin der Software-Firma Glassbreakers, macht sich hässlicher, seit sie gemerkt hat, dass sie im Silicon Valley sonst niemand ernst nimmt. Sie hat sich die Haare dunkler gefärbt und trägt jetzt eine dicke Brille.

Nach einer übergewichtigen Managerin muss man lange suchen

Männer haben es auch nicht immer leicht. Sind sie zum Beispiel sehr klein, kann das im Beruf schaden. Doch insgesamt ist ihr Aussehen weniger wichtig. Schmerbäuchige, krummbeinige, eierköpfige Topmanager - gibt es. Nach einer übergewichtigen Managerin muss man lange suchen. Wer als Frau Karriere machen will, darf nicht zu dick und nicht zu dünn sein, nicht zu flach und nicht zu vollbusig, nicht zu langhaarig, aber bitte auch nicht kurzhaarig, nicht zu viel Make-up und nicht zu wenig, Klamotten nicht sexy, aber auch nicht graumäusig. Frauen haben nur Chancen auf die Topjobs, wenn sie optisch in einem sehr schmalen Mittelfeld liegen. Von Qualifikationen und Kompetenz mal ganz abgesehen.

Im Internet lassen sich ellenlange Anleitungen finden, wie sich Frauen zu drapieren haben, um weder in die Schreckschrauben noch in die Femme-fatale-Falle zu tappen. Man kann Styling-Seminare belegen oder ganze Bücher dazu lesen.

Oder man kann es lassen. Es darf nicht immer die Aufgabe der Frauen sein, Lösungen zu finden für Probleme, die sie nicht verursachen, sondern deren Opfer sie sind. Stattdessen muss jeder Einzelne seine Vorurteile überprüfen - das gilt für Männer und Frauen, denn oft sind es Frauen, die ihre zu hübsche oder zu unansehnliche Kollegin oder Chefin ablehnen. Es ist schwer, die eigenen Vorurteile als solche zu erkennen, schließlich behaupten die meisten Menschen von sich, es sei ihnen egal, wie die Chefin aussieht, solange sie kompetent und freundlich ist. In der Realität kommen die Vorurteile dann doch hervor, oft in Mikroaggressionen, die man kaum bemerkt. In groß angelegten Studien wie der aus Washington werden sie gemessen. Vorurteile zu erkennen und auszumerzen, kann man in speziellen Seminaren lernen. Sie müssten Pflicht für Personaler und Chefs sein. Die Kaffeekette Starbucks hat sogar alle Mitarbeiter dazu verpflichtet, gegen Alltagsrassismus und Geschlechterstereotypen anzutreten.

Die Gesellschaft muss lernen: Frauen dürfen so aussehen, wie sie nun einmal aussehen. Sie dürfen Haare, Fingernägel, Klamotten oder Make-up so tragen, wie es ihnen gefällt. Im Rahmen natürlich. Mary Barra hat nach ihrem Amtsantritt als Chefin des US-Autobauers GM flugs den zuvor zehn Seiten langen Dresscode auf einen Minisatz verkürzt: "Ziehen Sie etwas Vernünftiges an." Beim Kampf gegen die Schönheitsstandards hilft es jedenfalls, die eigene Spezies mehr aus der Distanz zu betrachten. Im Vergleich mit Leopard, Wolf oder Veilchenkopfelfe sieht der Mensch sowieso absurd aus.

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