Emmanuel Macron:Was will der Mann?

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron

Emmanuel Macron ist zwar ein weiteres Mal zum Präsidenten gewählt worden. Doch der Bevölkerung ist nicht so klar, wofür er steht.

(Foto: Geert Vanden Wijngaert/picture alliance/dpa/AP)

Der französische Präsident hat sich irgendwo in der Mitte positioniert, ohne seine Politik genauer zu erklären. Das funktioniert nicht in der Innenpolitik und erst recht nicht in der Sicherheitspolitik.

Kommentar von Nadia Pantel

Zwei Dinge schätzt Emmanuel Macron ganz besonders: große Entwürfe und technische Details. Frankreichs Präsident äußert sich am liebsten als europäischer Großvisionär oder als Spitzenverwalter, der alle Gesetze und Regeln haargenau erklären kann. Das Problem ist nur, dass ihm zurzeit die Ebene dazwischen abhandengekommen zu sein scheint. Nämlich der Bereich von Politik, in dem es nicht darauf ankommt, wer die imposantesten Ideen hat und wer sich am besten auskennt. Sondern darauf, den Bürgern das Gefühl zu geben, dass in ihrem Sinne gehandelt wird.

Um es möglichst einfach zu sagen: Aktuell ist ziemlich unklar, was Macron eigentlich will. Außer regieren. Diese Irritation spürt man auf internationaler Ebene ebenso wie innenpolitisch. Als Macron 2017 ins Amt stürmte, reformierte er so schnell drauflos, dass die Franzosen mit Streiks und Protesten gar nicht hinterherkamen. Seine jetzige Amtszeit beginnt ganz anders. Ein Wahlkampf fand kaum statt, mit dem Ernennen der neuen Regierung ließ Macron sich vier (für französische Verhältnisse spektakulär lange) Wochen Zeit. Und seit die neuen Minister im Amt sind, hat man von ihnen wenig gehört. Es wirkt, als wolle Macron erst mal das Ergebnis der Parlamentswahl, die am Sonntag beginnt, abwarten, bevor er eine klare Richtung vorgibt. Nur stellt sich jetzt dieselbe Frage wie schon im Frühjahr: Warum nicht mal erklären, wofür er inhaltlich eigentlich genau gewählt werden will?

Macron konnte sich bei der Präsidentschaftswahl darauf ausruhen, dass alle Alternativen schlimmer waren als er. Und auch nun kann er darauf vertrauen, dass die von Linken propagierte Idee, Jean-Luc Mélenchon als Premierminister zu installieren, für eine ausreichende Mehrheit der Franzosen wenig verlockend klingt. Doch "Ich bin die Mitte zwischen den Extremen" ist ein ziemlich müdes Versprechen. Und passt deprimierend gut zu der Müdigkeit der französischen Wähler, die immer weniger von der Politik erwarten.

Macron muss die sicherheitspolitischen Sorgen der Osteuropäer ernst nehmen

Zu Hause blass, geopolitisch unentschlossen. Dieser Eindruck entstand, nachdem Macron erneut forderte, der Westen dürfe den russischen Präsidenten Wladimir Putin "nicht erniedrigen". Gleichzeitig liefert Frankreich deutlich problemloser als Deutschland schwere Waffen an die Ukraine. Die Ukraine unterstützen und gleichzeitig Putin nicht brüskieren wollen: Diese Strategie müsste Macron genauer erklären. Am Dienstag ist Tschechiens Premierminister in Paris. Warum nutzt Macron nicht die Chance, einem tschechischen Medium ein Interview zu geben, um den Mittel- und Osteuropäern das Gefühl zu nehmen, Frankreich gehe einfach über sie hinweg?

Frankreich neigt dazu, Russland als ebenbürtigen Partner zu würdigen, während Polen, das Baltikum oder Tschechien dafür kämpfen müssen, von Paris überhaupt wahrgenommen zu werden. Macron versäumt es, mit dieser Tradition zu brechen. Macrons Werben für eine militärisch unabhängigere EU ergibt wenig Sinn, wenn gleichzeitig nicht klar ist, wie ernst der französische Präsident die sicherheitspolitischen Sorgen Warschaus, Tallinns oder Prags nimmt. Will Macron, wie von ihm angekündigt, ein führender Vermittler zwischen Russland und der Ukraine werden, muss er mehr vertreten als nur französische Interessen. Und er sollte vielleicht auch seine aktuell immens verärgerten Diplomaten davon überzeugen, dass er ihren Berufsstand nicht kaputtsparen will.

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