Luftfahrt:Zu viel gespart

Der Ansturm an den Flughäfen trifft die Branche schlecht vorbereitet. Dabei hätte sie es wissen können.

Kommentar von Jens Flottau

Der internationale Luftverkehrsverband, die IATA, hat gerade die Verkehrszahlen für April veröffentlicht. In Europa stieg die Nachfrage nach internationalen Flugreisen demnach im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 480 Prozent. Für den Sommer dürften ähnliche, wenn nicht noch höhere Wachstumsraten erwartet werden.

Wie schnell die Nachfrage zurückkehrt, mag überraschend gewesen sein. Dass die Leute nach dem Ende der meisten coronabedingten Reiserestriktionen wieder massenweise fliegen würden, eher nicht, trotz vorgeblich größeren Umweltbewusstseins. Ein Blick auf vergangene Krisen hätte diese Prognose erhärtet, und erst recht hätte man auf die Idee kommen können, nachdem zwei Jahre lang Reisen kaum möglich waren und gleichzeitig die privaten Ersparnisse stiegen.

Die Unternehmen haben zu viel Personal abgebaut

Die Flugbranche ist dennoch auf den Ansturm miserabel vorbereitet. Die Zustände an den europäischen Flughäfen sind teilweise absurd, stundenlanges Warten, ausgefallene Flüge, verlorenes Gepäck. An vielen Stellen haben die Unternehmen trotz staatlich finanzierter Kurzarbeit zu viel Personal abgebaut. Jetzt suchen sie händeringend Mitarbeiter, doch selbst wenn sie welche finden, müssen diese noch ausgebildet werden. Es rächt sich nun auch, dass viele Berufe im Luftverkehr immer unattraktiver geworden sind. Wer den Absprung geschafft hat, kehrt nun oft nicht mehr zurück.

Die Gemengelage für die nächsten Wochen ist deswegen schwierig. Kurzfristig wird sich wenig ändern. Die Passagiere werden sehr viel Geduld und gute Nerven brauchen. Wer beides nicht hat, sollte über ein anderes Verkehrsmittel nachdenken. Kleine Tricks - Gepäck am Vorabend abgeben, früher zum Flughafen fahren - mögen ein bisschen helfen, aber durch die Sicherheitskontrolle müssen alle. Für den Spätsommer darf man auf Entspannung hoffen, sobald mehr Sicherheitsleute oder Flugbegleiter angelernt sind. Aber dann ist die große Reisewelle auch schon durch.

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