FDP:Zum ersten Mal macht Lindner einen aufgeräumten Eindruck

FDP: Christian Lindner sprach wegen Corona vor einem leeren Auditorium. Vielleicht hat ihn das ein wenig gebremst.

Christian Lindner sprach wegen Corona vor einem leeren Auditorium. Vielleicht hat ihn das ein wenig gebremst.

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Der FDP-Chef hätte in Stuttgart beim Dreikönigstreffen auftrumpfen können. Dass er stattdessen eine moderate Rede hält, zeigt, dass er aus Fehlern der Vergangenheit gelernt hat.

Kommentar von Nico Fried

Zwei Jahre ist es her, da geriet Christian Lindner kurz nach dem Dreikönigstreffen der Liberalen in Not. Die Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD in Thüringen stellte ihn vor die größte Krise seiner Zeit als Parteichef. Damals rettete ihn auch, was der FDP sonst oft vorgeworfen wurde: dass die Partei an der Spitze nur aus Lindner bestand und somit niemand da war, der ihm ein Konkurrent hätte sein können. In dieser Situation war nicht damit zu rechnen, dass Lindner im Januar 2022 von der Bühne des Stuttgarter Opernhauses als Bundesfinanzminister grüßen würde.

Es spricht für den FDP-Chef, dass er sich in diesem Jahr jeglichen Triumphalismus verkniffen hat. Das war in der Vergangenheit stets ein Problem seiner Vorgänger gewesen, sei es bei Guido Westerwelle nach dem Wahlerfolg 2009 oder bei Philipp Rösler, nachdem er Angela Merkel einen Bundespräsidenten Joachim Gauck aufgezwungen hatte. Lindner hätte sich diesmal sowieso nicht groß feiern lassen können, weil das Auditorium in Stuttgart wegen Corona leer war. Das mag auch den Redner gebremst haben. Doch hat es der Parteichef nicht nur jetzt, sondern schon seit Wochen ganz gut hinbekommen, selbstbewusst aufzutreten, ohne sich und die Partei zu wichtig zu nehmen. Zum ersten Mal in seiner Karriere macht Lindner einen aufgeräumten Eindruck.

Man kann heute noch nicht sagen, ob das wirklich Resultat einer Reifung ist oder doch nur Momentaufnahme, gespeist von guten Ergebnissen bei der Wahl und in den Koalitionsverhandlungen. Die zweite Untugend der Liberalen neben ihrer Überheblichkeit war in den vergangenen Jahren die Neigung, schnell beleidigt zu sein. Als sich die Corona-Pandemie in den Wochen nach der Bundestagswahl gegen den verfrühten Optimismus der FDP wendete, tauchte diese Leberwurschtigkeit vereinzelt wieder auf. Wenn Lindner das auch noch unter Kontrolle bekommt, kann er wirklich für sich in Anspruch nehmen, die FDP vorangebracht zu haben.

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