Fachkräftemangel:Der stille Skandal

Es wird viel geklagt über unbesetzte Stellen. Dabei sind manche Probleme hausgemacht.

Kommentar von Roland Preuß

Die Bundesregierung hat einiges zusammengetragen, um zu zeigen: Wir kümmern uns, wir gehen gegen den Fachkräftemangel vor. Und zwar umfassend, von mehr Azubis für Klimatechnik bis hin zum Servicepaket für bürokratiegeplagte Einwanderer. Wen man aber vergeblich sucht in der Fachkräftestrategie, die am Mittwoch vorgestellt wurde: die Schulabbrecher in Deutschland. Schon klar, Schulen sind Ländersache, deshalb ist das Themengebiet vermint mit föderalen Empfindlichkeiten. Fehlen darf es trotzdem nicht.

Zu viele Jugendliche verlassen die Schule ohne Abschluss

Jedes Jahr verlassen etwa 45 000 Jugendliche die Schule, ohne irgendeinen Abschluss erreicht zu haben, das sind an die sieben Prozent eines Jahrgangs und deutlich mehr als vor zehn Jahren. Dies gehört zu den stillen Skandalen des Bildungssystems, denn ohne Abschluss verbauen sich viele dieser Jugendlichen die Aussicht auf einen Ausbildungsplatz, auf qualifizierte Jobs und auf ein Studium ohnehin. Also auf genau die Stellen, die im anrauschenden Fachkräftemangel unbesetzt bleiben. Das fehlende Zeugnis raubt den Abbrechern die Perspektiven oft ein Leben lang, die Jobcenter sind voll mit Leuten ohne Schul- oder Berufsabschluss. Hier wäre ein großes Potenzial zu heben.

Aber auch die Betriebe sind gefragt, mehr als bisher selbst etwas gegen den Mangel zu tun. Mitunter sind die Probleme hausgemacht: schlechte Bezahlung, wenig Sicherheit, abschreckende Arbeitsbedingungen. Wer sich als Arbeitgeber etwa bewusst aus Tarifverträgen verabschiedet hat, sollte nicht darüber klagen, dass er nun keine Arbeitskräfte findet. Wer sich den Aufwand erspart, um Auszubildende zu werben, sollte nicht bemängeln, dass er nun keine jungen Leute findet. Für viele Beschäftigte hat der Fachkräftemangel eben auch eine erfreuliche Seite: Es gibt öfter gute Alternativen zum bisherigen Job - und dann geht man eben.

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