Merkel bei Macron:Ein Hoch auf die Vernunftehe

Merkel bei Macron: Emmanuel Macron und Angela Merkel haben stets einen intensiven Austausch gepflegt.

Emmanuel Macron und Angela Merkel haben stets einen intensiven Austausch gepflegt.

(Foto: Ludovic Marin/AFP)

Sie mögen vielleicht kein Traumpaar sein, aber sie haben verstanden, dass sie dazu verurteilt sind, Vorbild zu sein: Deutschland und Frankreich pflegen eine Beziehung, die Europa zusammenhält.

Kommentar von Stefan Kornelius

Weshalb Angela Merkel ausgerechnet in Beaune ihren Abschied von Frankreich nehmen sollte? Beaune ist Weinhauptstadt, Idylle im Zentrum des Burgund, von entzückender Schönheit und Provinzialität, so wie es viele entzückende Schönheiten in der deutschen und der französischen Provinz gibt. Beaune steht für einen Heimatbegriff, wie er typisch ist für diese französisch-deutschen Beziehungen und für Europa überhaupt. Welch treffender Zufall, dass Präsident Emmanuel Macrons Vertrauter und Europa-Staatssekretär ebenfalls Beaune heißt und gerade einen sehr hässlichen Konflikt zwischen Paris und London austrägt.

Diese Staatenbeziehungen sind nicht totzukriegen in Europa, auch wenn die vielen Brüsseler Räte und Kommissionsinitiativen mitunter den Eindruck vermitteln, als geschehe alles in diesen Breitengraden unter dem Signet EU. Merkels Abschiedsreise nach Frankreich zwingt dazu, auf das Gegenteil aufmerksam zu machen: So wie die Beziehung zweier Staaten - Deutschland und Frankreich - am Beginn der europäischen Einigungsgeschichte stand, so entscheidet auch heute das Verhältnis einzelner Mitglieder über das große Ganze, mithin über den Erfolg der EU.

Stolz und Ehre sind plötzlich wieder Verhandlungsgegenstand

Keinen besseren Beleg gibt es dafür als die Eskalation im Fischereistreit zwischen Frankreich und dem gerade aus der EU ausgeschiedenen Großbritannien. Eine Kleinigkeit wurde aufgeblasen und zum Prinzip erhoben, Stolz und Ehre sind plötzlich Verhandlungsgegenstand, und ein Dutzend Kutter werden zum Prüffall für die nationale Identität erklärt.

Es ist nicht schwer, auf einem Kontinent voller Interessen ein paar Konflikte zwischen Staaten zu schüren und das alte Machtspiel zu spielen. Oder umgekehrt: Es ist so unendlich viel aufwendiger, die Konflikte rechtzeitig zu erkennen, zu lösen und ein Klima der Offenheit zu bewahren, in dem Provokationen nicht verfangen und nicht zum nackten innenpolitischen Vorteil genutzt werden.

Die französisch-britische Konstellation mit einer historisch gewachsenen Rivalität, einem notorischen Desinteresse füreinander und zwei - nun denn - sehr selbstbewussten Männern an der Spitze demonstriert die Instabilität des Konstrukts.

Konflikte gab es genug, aber Merkel und vier Präsidenten haben sie nicht eskalieren lassen

Merkel und Macron hingegen haben eine Intensität des Austauschs gepflegt, die stärker war als alle Konflikte. Von denen gab es wahrlich genug. Deutschland und Frankreich sind nicht das Traumpaar unter den europäischen Nationen, aber sie haben verstanden, dass sie qua Bevölkerungszahl, Größe und Wirtschaftskraft zum Vorbild verurteilt sind. Es sind diese bilateralen Beziehungen, die Europa am Ende zusammenhalten - es ist nicht die EU, die Staaten zu Partnern macht.

Das ist keine Lehrmeinung für die politische Theorie, sondern ein sehr praktischer Hinweis für das Tagesgeschäft: Nur die sehr ausdauernde Kommunikation gerade der Regierungschefs sorgt in Europa für die Kontrolle der Konflikte. Jederzeit lassen sich die Haltung zu Libyen, der Ägäis-Streit mit der Türkei, die Rüstungsgeschäfte, die Atomkraft, die Finanz- und Steuerpolitik und so unendlich viel mehr zum prinzipiellen Konflikt zwischen Berlin und Paris hochtreiben, auch um Verhandlungsmasse für das nächste Rendezvous zu haben. Empfänglich wären die von ähnlichen Neurosen geplagten Wähler in Frankreich oder Deutschland dafür gewesen. Es zeugt von hoher Vernunft, dass weder Merkel noch die vier französischen Präsidenten während ihrer Amtszeit es dazu haben kommen lassen.

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