Süddeutsche Zeitung

EU:Zumutung

Astra Zeneca muss endlich mit der Geheimniskrämerei aufhören und schlüssig erklären, wieso es den vertraglich vereinbarten Impfstoff nicht liefern kann.

Von Björn Finke

Empörend sind nicht die Verzögerungen, empörend ist die Reaktion darauf: Der Pharmakonzern Astra Zeneca hat in atemberaubendem Tempo die Massenfertigung für den neuen Corona-Impfstoff hochgefahren. Dabei kann es Schwierigkeiten geben, und dann fallen eben Lieferungen aus. Das ist bitter, aber alleine noch kein Grund für Vorwürfe an das Unternehmen. Umso mehr Vorwürfe verdient das Management hingegen für seinen Umgang mit der Krise.

Der Konzern warnte vor einer Woche völlig überraschend vor Engpässen. Dabei hätte die Firma bereits im Herbst mit der Fertigung beginnen sollen. Die EU versprach dafür 336 Millionen Euro als Anzahlung. Hat das Unternehmen wirklich produziert, kam es damals schon zu Problemen, wurde der Impfstoff vielleicht exportiert? Das sind drängende Fragen für die Politiker und Bürger in Europa, doch Astra Zeneca bleibt überzeugende Antworten schuldig. Anstatt zu versuchen, mit größtmöglicher Offenheit Vertrauen zurückzugewinnen, wirft Vorstandschef Pascal Soriot lieber Nebelkerzen.

So erklärte er in einem Interview, der Vertrag garantiere gar keine Liefermengen. Zudem dürfe die Firma leider nicht Impfstoff von britischen Werken in die EU umleiten. Beides liest sich aber ganz anders in dem Vertragstext, den die EU-Kommission am Freitag endlich veröffentlichte. Bevor die Behörde dies tun durfte, ließ Astra Zeneca freilich viele Passagen schwärzen. Die Bürger erwarten Aufklärung, doch der Konzern setzt auf Geheimniskrämerei: ein schlimmer Fehler - und eine Zumutung.

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