Klimaschutz:Hauptsache behutsam

Klimaschutz: Raffinerie bei Köln: Die Klimaschutz-Gesetze werden die Industrie belasten.

Raffinerie bei Köln: Die Klimaschutz-Gesetze werden die Industrie belasten.

(Foto: Christoph Hardt/imago/Future Image)

Das EU-Parlament kann sich beim Emissionshandel nicht einigen. Das zeigt, wie schwer die Aufgabe ist. Gegen Bürger und Industrie geht es nicht.

Kommentar von Björn Finke

Die Blamage überschattet die Erfolge: Das Europaparlament hat es diese Woche nicht geschafft, sich auf einen Kompromiss für die Reform des Emissionshandels zu einigen. Für das wichtige Klimaschutz-Gesetz gab es im Plenum in Straßburg keine Mehrheit. Die Abstimmung muss in zwei Wochen wiederholt werden. Zugleich fanden sich aber klare Mehrheiten für andere wegweisende Rechtsakte, etwa das Vorhaben, Neuwagen mit Verbrennungsmotor in 13 Jahren zu verbieten. Diese Verordnung wird Deutschlands Automobil-Zulieferer vor gewaltige Probleme stellen.

Das Debakel beim Emissionshandel ist also keinesfalls ein Zeichen dafür, dass die Europäische Union den Kampf gegen die Erderwärmung nicht mehr ernst nimmt. Oder gar ein Argument dafür, dass sich anstatt der EU lieber die nationalen Regierungen um die Rettung des Klimas kümmern sollten; frei nach dem Motto: Die in Brüssel und Straßburg bekommen das sowieso nicht hin. Das würde nicht funktionieren - die Herausforderungen sind viel zu groß für nationale Alleingänge. Doch das Scheitern im Plenum zeigt einfach wieder, wie unglaublich schwierig und belastend der "Grüne Deal" ist, das Umwelt- und Klimaschutzprogramm der EU. Und wie mühsam sich daher die Konsenssuche gestaltet.

Schließlich geht es um Hunderttausende Jobs, um gigantische Investitionen und darum, dass der Abschied von fossilen Energien Verbraucher und Steuerzahler erst einmal mehr Geld kosten wird. Dabei beschweren sich die Bürger ohnehin schon über steigende Preise. Und die Staatskassen vieler EU-Länder sind leer.

Deswegen wird es noch weitere Niederlagen und Rückschläge im EU-Politikbetrieb geben. Vielleicht werden Klimaschutz-Vorhaben abgeschwächt, vielleicht kommen sie ein wenig verspätet. Aber selbst das ändert nichts am großen Ganzen. Es ändert nichts daran, wie kühn und anspruchsvoll - manche würden sagen: furchteinflößend - der Plan ist, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu machen.

Europa alleine kann das Klima nicht retten

Die EU muss dabei höllisch aufpassen, Bürger und Industrie nicht zu überfordern. Solche Vorsicht bedeutet nicht, den Kampf gegen die Erderwärmung halbherzig zu führen. Das Gegenteil ist richtig: Ohne ein behutsames Vorgehen wird die Rettung des Weltklimas mit Sicherheit scheitern. Schließlich steht die EU nur für acht Prozent des globalen Ausstoßes an Treibhausgasen. Wenn die Europäische Union im Jahr 2050 wie geplant nicht mehr zur Erderwärmung beiträgt, wäre das eine fantastische Leistung. Aber dies würde dem Klima insgesamt nicht viel bringen, sollten die USA oder China munter weiter Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen.

Die EU muss also alles daransetzen, dass andere Wirtschaftsblöcke ihrem Beispiel folgen. Und das werden sie nicht, wenn der Grüne Deal zu sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen führt - ein Europa mit Massenentlassungen und Massenprotesten wäre eher abschreckend. Daher wird bei Brüssels Klimaschutz-Programm die Vorbildfunktion für den Rest der Welt am Ende wichtiger sein als die direkte Wirkung: Klimaneutralität für den vergleichsweise unbedeutenden Verschmutzer Europa.

Damit der Grüne Deal wirklich nachahmenswert und inspirierend wirkt, müssen EU-Kommission und Parlament bei jedem einzelnen Klimagesetz die Belastungen ganz genau im Blick haben. Sie müssen sicherstellen, dass Bürgern geholfen wird, wenn das Heizen zu teuer wird. Sie müssen Industriebetrieben genug Zeit zur Anpassung geben. Und sie müssen eine Lösung finden für das Problem, dass Firmen aus Staaten ohne kostspielige Klimaziele EU-Fabriken unfaire Konkurrenz machen.

Es ist in Ordnung, Ziele zu verfehlen

Die verpatzte Abstimmung zum Emissionshandelssystem drehte sich um exakt diese Fragen. Dieses System ist das wichtigste Instrument der EU für den Klimaschutz: Fabriken und Kraftwerke brauchen Verschmutzungsrechte, um Treibhausgase in die Atmosphäre jagen zu dürfen, und die Zahl dieser Zertifikate sinkt. Das Gesetz soll den Mechanismus verschärfen. Doch wie sehr, das war umstritten unter den Abgeordneten im Plenum. Ebenso umkämpft war, welche Hilfen es für Konzerne geben soll, denen Konkurrenz aus Ländern ohne harte Klimavorgaben droht.

Am Ende ließen Grüne und Sozialdemokraten das Gesetz durchfallen, weil es ihnen nicht mehr ehrgeizig genug war. Dabei ist völlig klar, dass selbst diese vermeintlich laxe Version des Rechtsakts Riesenanstrengungen der Unternehmen erfordern würde. Und das in schwierigen Zeiten: Die Probleme mit Lieferketten weltweit und die hohen Energiepreise belasten ohnehin die Industrie. Stimmen die Abgeordneten in zwei Wochen erneut ab, behält hoffentlich Pragmatismus die Oberhand über grünen Purismus. Es ist völlig in Ordnung, Einsparziele auch einmal leicht zu verfehlen - wenn es dabei hilft, Pleitewellen, Fabrikverlagerungen und Massenproteste zu vermeiden.

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