EU-Gipfeltreffen zu Corona-Hilfen:Das Verhandlungsdrama muss sich lohnen

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Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU werden sich wohl auf Nachtschichten eingestellen - es geht schließlich um Millionen und Milliarden. (Foto: REUTERS)

Von Freitag an wird in der EU über den Corona-Hilfstopf gestritten. Ein Auseinandergehen ohne Resultat wäre ein Riesenärgernis - aus Fairness gegenüber künftigen Generationen muss ein guter Kompromiss her.

Kommentar von Björn Finke, Brüssel

Die Bühne ist bereitet für das ganz große Drama: An diesem Freitag reisen die 27 Staats- und Regierungschefs der EU zu einem Gipfeltreffen nach Brüssel; sie verhandeln über den Corona-Hilfstopf und den Haushalt der EU für die kommenden Jahre. Das Gefeilsche über Millionen und Milliarden, über Konditionen und Kriterien wird vermutlich bis Samstag andauern, vielleicht sogar bis Sonntag, Nachtschichten inklusive. Schließlich will jeder Politiker hinterher verkünden können, er habe in einem harten und langen Kampf das meiste für sein Land herausgeholt.

Dieses ritualisierte Getue, wohlbekannt von früheren Budgetgipfeln, sei den Politikern vergönnt - wenn sie sich wirklich einigen und das Ergebnis Europa voranbringt.

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Ein Auseinandergehen ohne Resultat wäre hingegen ein Riesenärgernis. In dem Fall würden sich die Staats- und Regierungschefs kurz darauf im Juli wieder treffen müssen. Die Ausgangslage, die Streitpunkte, die Allianzen - nichts würde sich in den wenigen Tagen bis zum Folgegipfel ändern. Es wäre nur kostbare Zeit verstrichen. Schließlich muss nach einer Einigung noch mit dem Europaparlament verhandelt werden, die geplanten Ausgabenprogramme müssen in Gesetzesform gegossen werden, und nationale Parlamente müssen ebenfalls dem Novum zustimmen, dass sich die EU-Kommission demnächst für den Corona-Topf hoch verschulden darf. All das muss bis Dezember abgeschlossen sein, damit das Geld im neuen Jahr pünktlich fließen kann: schon jetzt ein Höllenritt.

Die Schulden müssen zurückgezahlt werden

Immerhin zeichnen sich Wege zu einem Kompromiss ab - die entscheidende Frage ist bloß, ob es ein fauler oder ein guter sein wird. Die EU-Kommission schlägt vor, dass sie 750 Milliarden Euro Schulden für den Corona-Fonds aufnimmt und 500 Milliarden Euro davon als nicht rückzahlbare Zuschüsse an Mitgliedstaaten ausschüttet. Den Rest will die Behörde als Darlehen verteilen. Die niederländische Regierung und ihre Verbündeten kämpfen dafür, den Topf und den Zuschussanteil zu verkleinern. Außerdem fordern sie, dass sich Empfängerstaaten zu tief greifenden Reformen verpflichten, damit ihre Wirtschaft wettbewerbsfähiger wird und sie bei der nächsten Krise nicht wieder Hilfe benötigen.

Auf der anderen Seite stehen Länder wie Italien und Spanien, die massiv von dem Geldsegen profitieren würden. Sie lehnen Kürzungen ab und wollen möglichst wenige Vorgaben. Eine Lösung wäre es, den Topf zu verkleinern, aber dafür die Bedingungen sehr lax zu gestalten - dann hätten beide Kontrahenten eins ihrer Ziel erreicht und das andere verfehlt. Die Alternative lautet, das Volumen nicht groß anzufassen, doch die Transfers an härtere Auflagen zu knüpfen, als es der Kommission bislang vorschwebt. Dieser zweite Weg ist klar der bessere.

Schon die Fairness gegenüber künftigen Generationen gebietet es, die Verwendung der Mittel genau zu kontrollieren. Die Schulden müssen schließlich zurückgezahlt werden, letztlich vom Steuerzahler, vor allem dem deutschen. Und dass es in Ländern wie Italien Reformstau gibt, bezweifelt niemand. Es wäre daher fantastisch, würde der Corona-Topf dank strikter Bedingungen überall in Europa neuen Reformeifer wecken. Die EU würde dadurch wohlhabender und krisenfester; der Kontinent ginge gestärkt aus der Pandemie hervor. Das nervige Drama am Wochenende hätte sich wirklich gelohnt.

© SZ vom 16.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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