Süddeutsche Zeitung

ESC:Niederlande: null Punkte

Der Song Contest mit Künstlern aus vielen Ländern und Tausenden Zuschauern ist ein gefährliches Experiment - und ein überflüssiges.

Von Thomas Kirchner

Der Eurovision Song Contest ist Geschmacksache. Man kann die Nase rümpfen über das musikalische Einerlei und die banalen Texte. Hohe Kultur ist das nicht. Man kann die Veranstaltung aber auch unterhaltsam finden, gerade weil sie so zuverlässig trashig bleibt. Oder weil sie eine Art europäisches Herdfeuer bildet, um das man sich gern versammelt. Und am Ende heißt es: "L'Allemagne: deux points."

Im vergangenen Jahr wurde der ESC wegen der Pandemie abgesagt, doch bald schon gelobten die Veranstalter: Das Ding findet 2021 statt, egal wie. Also findet es statt. Und es dürfen sogar Zuschauer in die Rotterdamer Ahoy-Arena, jeweils 3500 für die Halbfinale und das Schluss-Event. Das geht, weil die niederländische Regierung den ESC in die "Field-Lab"-Experimente aufgenommen hat, die klären sollen, ob sich Großereignisse mit der Pandemie vertragen. Mit diesen Versuchen will die Regierung die Gemüter ihrer von Corona geplagten Landsleute aufhellen - und einigen Unternehmen einen Gefallen tun.

Experten bezweifeln den Nutzen dieser "Experimente". Kritiker sehen darin nicht mehr als rausgeschmissenes Steuergeld, immerhin 1,2 Milliarden Euro. Vor allem aber sind sie gefährlich. Bei den Infektionszahlen liegen die Niederlande aktuell an der Weltspitze, die Region Rotterdam stuft das "Risiko-Niveau" als "sehr ernst" ein. Es gab erste Ansteckungen bei Teilnehmern. Noch wäre es möglich, die Bremse zu ziehen.

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