Erinnerungskultur:Von den Opfern lernen

Zum Glück gibt es Rituale wie die Gedenkstunde des Bundestags zum Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz.

Von Kia Vahland

Wie oft wurde vor der Ritualisierung des Gedenkens an den Holocaust gewarnt, vor einer Leere, die im Laufe der Zeit die deutsche Erinnerungskultur aushöhlen könnte. Jetzt aber, 76 Jahre nach Kriegsende, zeigt sich: Zum Glück haben wir Rituale. Zum Glück hat etwa Bundespräsident Roman Herzog 1996 eine Gedenkstunde des Bundestags am 27. Januar eingeführt, dem Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz.

So gibt es einen Anlass, an dem die Parlamentarier und alle anderen zuhören dürfen. Sie hörten die Erinnerungen der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, die eindrücklich von Ausgrenzung und Verfolgung berichtete. Sie hörten, was es für die zwei Generationen jüngere Publizistin Marina Weisband bedeutet, Teil einer jüdischen "Schicksalsgemeinschaft" zu sein, die immer noch nicht als selbstverständlicher Teil der deutschen Gesellschaft gilt. Beide sprachen von altem Antisemitismus in neuem Gewand, von Lügen, Hass und Gewalt, heute und hierzulande.

Es ist diese Perspektive, die zählt: die der Betroffenen. Oft übertönen das Reden und die Taten der Ultrarechten sie, und dann kreist die Debatte wieder um die Psyche der Zündler. Gedenktage aber sind dafür da, von den Opfern und ihren Nachkommen zu lernen.

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