Frankreich:Seine Stärke, seine Schwäche

Frankreich: Emmanuel Macron ist ein Präsident, dem man durchaus einen starken Geltungswillen unterstellen darf.

Emmanuel Macron ist ein Präsident, dem man durchaus einen starken Geltungswillen unterstellen darf.

(Foto: Ludovic Marin/AFP)

Erst die Pandemie, jetzt der Krieg - den wahlkämpfenden Emmanuel Macron stärkt das. Nun wird Konsens, was er seit Langem gefordert hat. Da kann dem Präsidenten nur noch einer gefährlich werden.

Kommentar von Nadia Pantel

Frankreichs Opposition erzählt gern davon, wie schwer sie es hat. Erst war Pandemie, nun hat Russland die Ukraine überfallen, und nie können Emmanuel Macrons Gegner in Ruhe ihren Wahlkampf machen. Als hätte man als Politiker ein Anrecht, nicht von der Gegenwart gestört zu werden. Krisen nützen immer nur dem Präsidenten, lautet der Tenor rechts und links. Dabei ist die interessantere Frage, warum die Opposition daran gescheitert ist, auf die Krisen eigene Antworten zu entwickeln.

Anders als immer wieder behauptet, führt der Krieg in der Ukraine nun nicht dazu, dass der Wahlkampf ausfällt. Gut, die großen Meetings mit ihrer wummernden Musik und den exaltierten Sprechchören wirken nun noch deplatzierter als vorher. Aber vielleicht geht dem Land auch nicht so viel verloren, wenn einige Kandidatinnen und Kandidaten nun darauf verzichten, ihre Fans per Bus von Großkundgebung zu Großkundgebung zu karren. Der Krieg zwingt dazu, die Debatten mit anderer Ernsthaftigkeit zu führen.

Das Land diskutiert darüber, was ein würdiges Leben ausmacht

In Frankreich wird traditionell deutlich ausführlicher als in Deutschland über das "pouvoir d'achat" des Einzelnen geredet. Man könnte das mit "Kaufkraft" übersetzen, aber eigentlich geht es darum, was ein würdiges Leben ausmacht. Wie viel man am Ende des Monats noch auf dem Konto hat und ob es nur für das Nötigste reicht oder ob man sich auch ein gutes Essen oder einen Urlaub leisten konnte. Frankreichs Linke steht nicht nur für den Arbeitskampf, sondern auch für diesen Anspruch auf ein gutes Leben. Diese Fragen nach Kontostand und gesellschaftlicher Teilhabe werden durch die rapide steigenden Preise nun ins Zentrum des Wahlkampfes gerückt. Und es ist gut und entscheidend, dass über sie diskutiert wird.

Der Krieg führt auch dazu, dass die Kandidaten geo- und umweltpolitisch klar Position beziehen müssen. Der Linke Jean-Luc Mélenchon, die rechtsextremen Marine Le Pen und Éric Zemmour wollen alle raus aus der Nato und glauben, Frankreich könne sich alleine am besten verteidigen. Es ist wichtig, dass die Wähler darüber entscheiden können, ob ihnen das vernünftig erscheint oder nicht. Auch über den Energiemix und den Ausbau der Atomkraft wird engagiert gestritten: Für die Wähler ist das keine Nebensache.

Erstaunlich, was die Opposition jetzt für wichtige Themen hält

Die aktuellen Themen führen dazu, dass der amtierende Präsident Emmanuel Macron gestärkt wird. Weil er seit fünf Jahren fordert, was nun Konsens wird: Stärkung der europäischen Verteidigung, gemeinsame Verschuldung innerhalb der EU, kein Atomausstieg, wenn die Alternative heißt: Abhängigkeit von Russlands Gas. Diejenigen in der Opposition, die wie Zemmour und Mélenchon behaupten, der Krieg lenke von den wichtigen Themen ab, haben ein erstaunliches Verständnis davon, was wichtige Themen sind. Zemmour will nur über Einwanderung sprechen, Mélenchon will nicht daran erinnert werden, wie viel Verständnis er lange für Wladimir Putin zeigte.

Wer kann Macron in dieser Position noch schaden? Ein Blick auf Instagram gab am Montag einen Teil der Antwort. Dort teilt die offizielle Fotografin des Élysée ihre Macron-Fotos. Am Montag fotografierte sie Macron im Kapuzenpulli einer Hubschrauber-Kampfeinheit und mit Dreitagebart und Jeans. Es wirkte, als hätte Macron sich als Wolodimir Selenskij verkleidet. Als wolle er ein Stückchen der Bewunderung abhaben, die der ukrainische Präsident bekommt, weil er eben tatsächlich einen Krieg ertragen muss. Frankreichs Opposition ist schwach, Macrons Geltungswille ist stark. Manchmal zu stark.

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