Er sei "ein bisschen überwältigt", sagt Edward Berger als Reaktion auf die sensationelle Nachricht aus Hollywood. Sein Antikriegsepos "Im Westen nichts Neues", nach dem berühmten Roman von Erich Maria Remarque, wurde am Dienstag für neun Oscars nominiert, ein Rekord. So viele Chancen gab es für eine deutsche Produktion bei den Academy Awards noch nie.
Der bisherige Rekordhalter, Wolfgang Petersens "Das Boot", kam 1983 auf sechs Nominierungen. Und schaffte damals nicht, was jetzt gelungen ist - auch in der Königskategorie "Bester Film" mit im Rennen zu sein. Zählt man noch die 14 Nominierungen beim britischen Film- und Fernsehpreis Bafta dazu, ebenfalls ein Rekord, kann man festhalten: Die internationale Filmwelt liebt diesen Netflix-Film wie nichts anderes, was zuletzt in deutscher Sprache gedreht wurde.
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Edward Berger, 1970 in Wolfsburg geboren, begann sein Studium zwar in Braunschweig, wechselte dann aber schnell an die Filmschule der New York University, die auch Größen wie Martin Scorsese, Oliver Stone, Joel Coen oder Ang Lee hervorgebracht hat. Mit Lee arbeitete Berger danach auch bei der Firma Good Machine, voll im Spirit des New Yorker Independent-Kinos. Früh Vater geworden, wechselte er dann zwischen "Tatort"- und anderen deutschen Serienaufträgen und sehr persönlichen Projekten wie dem Berlinale-Wettbewerbsbeitrag "Jack", für den er seiner Frau Nele Mueller-Stöfen eine packende Rolle schrieb: klassischer Sozialrealismus, aber kein bisschen weinerlich.
Schon zweimal wurde "Im Westen nicht Neues" als amerikanische Produktion verfilmt, zum ersten Mal von deutschen Exilanten, die legendäre, von den Nazis gehasste Fassung von 1930. Diesmal kam die Initiative von zwei in den USA arbeitenden britischen Autoren, Ian Stokell und Lesley Paterson, die eine Option auf die Rechte erworben hatten. Der deutsche Produzent Malte Grunert überzeugte sie und die Remarque-Erben, es diesmal in der Originalsprache zu versuchen. Und Edward Berger sagte als Regisseur vom Fleck weg zu, bevor er überhaupt das Drehbuch kannte - so groß war der Sog des berühmten Stoffs.
Der Film wirkt wie ein Spiegel für die aktuelle russische Kriegsbesessenheit
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Berger, dessen Blick schon immer über Deutschland hinausging, international bereits etabliert. Zunächst mit "The Terror", einer übernatürlichen Horrorserie im kanadischen Packeis, dann als Regisseur der britischen Miniserie "Patrick Melrose" mit Benedict Cumberbatch. Schließlich inszenierte er Bryan Cranston in der amerikanischen Version der Justizserie "Your Honor". So war er für die Großproduktion von "Im Westen nichts Neues", für die in der Nähe von Prag ein Schlammset mit anderthalb Kilometern Schützengräben ausgehoben wurde, technisch und logistisch bestens gerüstet.
Der Kern seiner Inszenierung zielt darauf ab, das Gift von Kriegspropaganda und Angriffsparolen und die Verachtung der Militärapparate für das Leben ihrer Soldaten zu zeigen - durchaus im Geist der Vorlage, diese aber an vielen Stellen umgestaltend und noch weiter in den Irrsinn treibend. Amerikanische und britische Kriegsfilme handelten unausweichlich auch von "Sieg und Heroismus" sagt Berger, "aber als Deutscher kann man das nicht bringen. Da bringt man ein Gefühl von Schuld und Scham und Terror. Das muss sich anders anfühlen". So wirkt der Film nun auch wie ein Spiegel für die aktuelle russische Kriegsbesessenheit, was sicher zu seinem Erfolg bei den Oscars und Baftas beiträgt.
Für das Schaulaufen vor der Preisverleihung am 12. März und das Feiern der deutschen Präsenz, ganz egal wie die Sache ausgeht, hat Berger nun fast keine Zeit. Er steckt mitten in Dreharbeiten in der römischen Filmstadt Cinecittà, wo er den Thriller "Conclave" nach Robert Harris inszeniert. Ralph Fiennes, Stanley Tucci und John Lithgow spielen darin Kardinäle, die mit härtesten Bandagen darum kämpfen, eine Papstwahl zu gewinnen.