Proteste in Ecuador:"Leonidas, amigo, das Volk ist bei dir"

Proteste in Ecuador: Leonidas Iza hat viele Gruppierungen in Ecuador zum Streik bewegt, um gegen die wachsende Armut zu kämpfen.

Leonidas Iza hat viele Gruppierungen in Ecuador zum Streik bewegt, um gegen die wachsende Armut zu kämpfen.

(Foto: Adriano Machado/Reuters)

18 Tage hat Leonidas Iza die Massenproteste gegen Ecuadors Regierung mit angeführt - und einen Sieg errungen. Die Benzinpreise sollen gesenkt, das Budget für Bildung angehoben werden. Doch Iza will weiterkämpfen. Wer ist der 39-Jährige?

Von Christoph Gurk

Als alles vorbei war, stellte sich Leonidas Iza am Donnerstag vor seine Anhänger. Es war schon dunkel in Cotopaxi, einer Provinz im Andenhochland von Ecuador. "Leonidas, amigo, das Volk ist bei dir", skandierte die Menge. Und oben, auf der Bühne, griff Iza zum Mikrofon. Roter Poncho, Hut und langer Zopf. "Guten Abend, Kameraden!", rief er in die Nacht. "Que viva la lucha!": Es lebe der Kampf.

18 Tage lang hat Iza zusammen mit Zehntausenden indigenen Demonstranten, Gewerkschaftlern und Studenten Ecuador lahmgelegt. Das südamerikanische Land steckt in einer Krise, die Armut steigt, ebenso wie die Preise, allein die für Diesel haben sich in den vergangenen Jahren fast verdoppelt, und vor allem die oft indigene Landbevölkerung leidet darunter, weil Transport und Essen immer teurer werden.

Die Massenproteste wurden zu Straßenschlachten

Mitte Juni rief der Dachverband der indigenen Völker in Ecuador, die Conaie, darum zu einem Streik auf. Schnell schlossen sich auch andere Gruppen an. Die konservative Regierung reagierte mit harter Hand, rief den Ausnahmezustand aus und schickte Polizei und Soldaten. Die Massenproteste schlugen um in Straßenschlachten, es gab Blockaden und Plünderungen. Hunderte wurden verletzt, mindestens sechs Menschen starben, und der wirtschaftliche Schaden geht in die Millionen.

Nach mehr als zwei Wochen einigten sich nun am Donnerstag die Regierung und die Demonstranten. Die Proteste werden beendet und dafür im Gegenzug die Benzinpreise gesenkt und die Budgets für Bildung und Gesundheit angehoben. Woher das Geld dafür kommen soll, ist unklar, sicher ist nur: Es ist ein Erfolg für die Demonstranten, vor allem aber ist es ein Sieg für Leonidas Iza.

39 Jahre alt ist er, seit 2021 ist er Präsident des indigenen Dachverbandes Conaie, ein Posten, der ihm schon in die Wiege gelegt wurde. Iza stammt aus der Provinz Cotopaxi, am Fuße des gleichnamigen Vulkans. Seine Familie ist Teil des Quechua-Panzaleo-Volkes, und schon Izas Vater war ein indigener Aktivist. Als Kind, sagt Iza, habe er zwar die Bibel gelesen, ebenso aber auch Marx und die Klassiker der linken lateinamerikanischen Literatur.

Schon als Jugendlicher begann Iza sich politisch zu engagieren, er wurde erst Jugendführer in seiner Gemeinde, dann Leiter des indigenen Provinzkomitees. Landesweit bekannt wurde Iza dann 2019, als ebenfalls Massenproteste Ecuador erschütterten. Iza galt als einer Organisatoren, die Regierung ließ ihn verhaften unter dem Vorwurf des Terrorismus, nach einem öffentlichen Aufschrei kam Iza aber wieder frei.

Die Ursachen der Proteste: Ungleichheit, struktureller Rassismus

Auch damals, 2019, ging es schon um Treibstoffpreise. Nach knapp zwei Wochen und heftigen Auseinandersetzungen ruderte die Regierung zurück und verzichtete auf die Streichung von Subventionen. Gelöst wurde das Problem aber nie, genauso wenig wie die eigentlichen Ursachen der Proteste: Ungleichheit, der krasse Unterschied zwischen Stadt und Land, der strukturelle Rassismus und die Dominanz einer weißen Elite.

2021 wurde Guillermo Lasso in Ecuador zum Präsidenten gewählt, ein ehemaliger Banker und strenger Katholik, gut vernetzt in konservativen Kreisen und bei Unternehmensbossen. Er ist, wenn man so will, das exakte Gegenteil von Leonidas Iza. Die Proteste der vergangenen Wochen waren darum auch ein Kräftemessen zwischen den beiden Männern. Irgendwann war die Situation so verfahren, dass Lasso erklärte, er werde mit Iza nicht mehr reden. Nur durch die Bischofskonferenz kam doch noch eine Einigung zustande.

"Wir haben den höchsten Wert erreicht, den wir alle anstreben: Frieden in unserem Land", erklärte Präsident Guillermo Lasso auf Twitter. Die Frage ist, wie lange der dauert: Lasso ist politisch angeschlagen und die wirtschaftliche Situation im Land prekär. Leonidas Iza hat schon angekündigt, dass er und seine Anhänger wieder auf die Straße gehen werden, sollte es nötig sein. "Die Gesellschaft muss gerechter werden", sagte er am Donnerstagabend vor seinen Anhängern. "Lasst uns gemeinsam weiterkämpfen!"

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