Documenta:Steinmeier macht es sich zu einfach

Eröffnung der documenta fifteen DEU, Deutschland, Hessen, Kassel, 18.06.2022: Die fünfzehnte Ausgabe der documenta find

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Documenta in Kassel.

(Foto: IMAGO/Rüdiger Wölk)

Die Kritik des Bundespräsidenten an der internationalen Kunstschau hilft zu diesem Zeitpunkt nicht weiter.

Kommentar von Kia Vahland

Wenn in Kassel die Documenta eröffnet, ist das inmitten der Systemkonkurrenz zwischen Demokratien und autoritären Staaten ein Zeichen: Deutschland feiert damit auch die Kunst- und Meinungsfreiheit und zeigt sich weltoffen für Impulse von außen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier weiß das und sagt dies auch in seiner Eröffnungsrede. Wichtiger aber ist es ihm, die vorab geführte Debatte über möglichen Antisemitismus von beteiligten palästinensischen Künstlern aufzugreifen. Man kann dem Bundespräsidenten nur zustimmen, wenn er das Existenzrecht Israels für unverhandelbar erklärt und anmahnt, das Reden über Israel auf deutschem Boden müsse ein Reden über die von Deutschen ermordeten Juden einschließen.

Steinmeiers Kritik an der Ausstellung bleibt im Ungefähren

Nur: Steinmeier spricht zu einem Zeitpunkt, an dem die Werke bereits zu sehen sind. Wer jetzt die Ausstellungsmacher und Künstler rügen will, muss konkrete Belege anbringen, was in den Sälen genau antisemitisch ist, in welchen Arbeiten hier mit deutschen Steuergeldern das Existenzrecht Israels geleugnet oder zum Boykott des Landes aufgerufen wird. Darauf aber verzichtet der Bundespräsident und bleibt im Ungefähren. Was daran liegen mag, dass diese Bildbelege keineswegs so unzweifelhaft zu erbringen sind, wie Kritiker der Documenta es suggerieren. Man müsste und könnte sich darüber en detail streiten.

Treffend dagegen ist Steinmeiers Kritik an den deutschen Verantwortlichen, die im Vorfeld daran gescheitert sind, eine Debatte unter Einbeziehung auch des Zentralrats der Juden zu führen; Diskussionen wurden abgesagt. Steinmeier beanstandet diese diskursive Unfähigkeit zu Recht - aber viel zu spät. Vor einigen Wochen hätten sein Wort und seine Moderation viel bewirken können. Jetzt wirkt die Schelte wohlfeil und sie überlagert, worum es eigentlich geht: sich einzulassen auf das, was die Kunst in Kassel lehren kann.

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