Süddeutsche Zeitung

Die Linke:Sie sind wieder wer

Plötzlich ist die Linkspartei doch noch zum Faktor im Wahlkampf geworden. Die Frage ist, ob sie tatsächlich etwas daraus macht.

Kommentar von Boris Herrmann, Berlin

So nett, wie es rüberkam, war es von Armin Laschet vermutlich gar nicht gemeint. Der Kanzlerkandidat der Union hat am Sonntag im Triell seine Mitbewerber von SPD und Grünen nachdrücklich dazu aufgefordert, eine Koalition mit der Linkspartei auszuschließen. Olaf Scholz und Annalena Baerbock brachten jeweils ihre inhaltlichen Vorbehalte gegenüber der Linken zum Ausdruck, aber die entscheidenden Worte - "Ich mache es nicht" - ließen sie sich von Laschet nicht entlocken.

Im Karl-Liebknecht-Haus dürften sie sich aufrichtig gefreut haben, dass der CDU-Chef in solch einer Sendung seinen Konkurrenten Scholz und Baerbock diese Szene machte. Denn sie ist ein belastbares Indiz dafür, dass die Partei doch noch als Gegner ernst genommen wird. Zu den konkreten Ergebnissen dieses ersten Triells gehört: Auf einmal redet man in Deutschland wieder über die Linke. Natürlich nicht nur Gutes, aber immerhin.

Ausgerechnet die SPD hilft ihr aus der Irrelevanz heraus

In den zurückliegenden Wochen ließ sich nicht mit letzter Gewissheit sagen, ob die Linkspartei überhaupt mitmacht in diesem Bundestagswahlkampf. Zwar sagten ihre Führungsleute immer wieder brav ihre Thesen auf, aber jenseits der Stammklientel schien davon kaum jemand Notiz zu nehmen. Während die anderen Parteien in den Umfrage-Diagrammen des Wahljahres wilde Achterbahnfahrten hinlegen, bildet die Linke dort eine nahezu waagrechte Linie etwa auf Höhe der Sieben-Prozent-Marke. Sie ist inzwischen die Konstante im deutschen Parteiensystem, zuletzt war das aber kein Ausdruck von Stabilität, sondern eher von Irrelevanz. In der Koalitions-Arithmetik spielte sie lange Zeit keine Rolle, und in einem Wahlkampf, der sich bislang vor allem um Umfragen und Farbenspiele dreht, kam sie deshalb praktisch nicht vor. Es gab kaum Gründe, über die Linke zu reden - und noch weniger, um sich vor ihr zu fürchten.

Es ist natürlich ein Treppenwitz der Geschichte, dass nun ausgerechnet die SPD der Linken aus ihrer größtenteils selbstverschuldeten Bedeutungslosigkeit herausgeholfen hat. Die heutige Linkspartei gründete sich als Protestbewegung zur sozialdemokratischen Sozialpolitik der Nullerjahre, für die nicht zuletzt Olaf Scholz einmal stand. Jetzt nehmen die Linken die Schützenhilfe desselben Scholz natürlich gerne an. Seit dieser in der Gunst der Wähler nach oben schnellt, blinkt Rot-Rot-Grün in den Umfragen zumindest wieder als theoretische Möglichkeit auf. Und im Kopf von Armin Laschet offenbar als real existierender Albtraum. Kurzum: Die Linke ist wieder im Spiel.

Vergangene Woche: ein törichter Fehler im Bundestag

Sie hat es nun selbst in der Hand, in welcher Rolle sie dort auftaucht: als ernst zu nehmende Wettbewerber oder als unverbesserliche Prinzipienreiter. In vielen innenpolitischen Fragen stehen sich die relevanten Köpfe der Linken und der linke Flügel der SPD deutlich näher, als beide Seiten zugeben würden. Umso törichter war es, dass sich die Linke vergangene Woche im Bundestag nicht klar zur Kabul-Notrettungsaktion bekennen wollte. Das war nicht nur inhaltlich falsch, sondern auch strategisch. Gerade aus der starken moralischen Position heraus, das Afghanistan-Desaster von Beginn an geahnt zu haben, hätte es für die Partei keine bessere Gelegenheit gegeben, ihre außenpolitische Problemflanke abzuräumen. Sie hätte zeigen können, dass mit ihr durchaus Staat zu machen wäre.

Die Linke muss endlich verstehen: Je schwerer sie es Baerbock und Scholz macht, jene vier entscheidenden Worte zu sagen, die Laschet hören will, umso besser wird es ihr am 26. September ergehen.

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