Süddeutsche Zeitung

Asterix:Alles noch mit Pinsel

Und nun ist auch das fünfte Abenteuer fertig: Didier Conrad, der Mann, der auch den neuen Gallier-Band gezeichnet hat.

Von Martin Zips

Dieser Tage wird ja oft die Frage gestellt, was permanentes Arbeiten auf Distanz mit Menschen so macht. Da ist es nicht schlecht, nach Austin, Texas zu blicken, wo der aus Frankreich stammende Zeichner Didier Conrad kürzlich im Home-Office seinen fünften "Asterix"-Band vollendet hat. Und zwar immerhin 8000 Kilometer entfernt von seinem Kollegen, dem Szenaristen Jean-Yves Ferri, der ihn von einem pyrenäischen Dorf aus per Mail immerzu mit Entwürfen versieht. Die beiden waren 2012 vom Verlag Hachette Livre als Nachfolge-Duo der Asterix-Schöpfer Albert Uderzo und René Goscinny ausgewählt worden. Real aber sehen sie sich nur alle zwei Jahre, wenn sie vor dem Erscheinen des jeweils neuen Bandes ein paar Pressetermine in Europa wahrnehmen (müssen).

Geht das denn überhaupt? Zwei ältere Männer, immer nur vor dem Computer? Goscinny und Uderzo haben sogar den Urlaub miteinander verbracht! Im gerade neu erschienenen Band "Asterix und der Greif" sieht man: Es geht. Ebenso wie Ferri ist Conrad im Jahr 1959 geboren, also im selben Jahr wie Asterix. Und ebenso wie sein Kollege schätzt Conrad: Ruhe, Rotwein und gute Filme - er ist vielleicht nur privat etwas geordneter als Ferri, das sieht man schon an seinem Wohnbüro. Dort, in den grünen Hügeln über Austin, wohnt der Zeichner zusammen mit seiner Jugendliebe Sophie. Sophie Commenge kennt man in der Szene unter dem Pseudonym "Wilbur", sie hat sich auch schon einige Comics und Kinderbücher ausgedacht, manchmal zusammen mit Didier. Dessen Zeichnungen waren vom Magazin Spirou bereits veröffentlicht worden, als er 14 Jahre war.

Aus Südfrankreich sind die beiden Mitte der Neunziger in die USA gezogen. Didier, der Schweizer Wurzeln hat und dessen Vater im Medizin-Business unterwegs war, hatte von Steven Spielbergs Produktionsfirma Dreamworks das Angebot erhalten, am Zeichentrickfilm "Der Weg nach El Dorado" mitzuarbeiten. Doch gerade, als er in Kalifornien am Zeichentisch Platz genommen hatte, läutete die Konkurrenz von Pixar mit dem computeranimierten Trickfilm "Toy Story" eine neue visuelle Ära ein. Und den Bleistift mit einer PC-Maus tauschen, das wollte Conrad nicht. Er blieb aber in den Staaten, zog später nach Texas und verdiente sein Geld mit (im franco-belgischen Raum erfolgreichen) Serien wie "Les Innommables" oder "Bob Marone".

Fünf Millionen Exemplare, in 17 Sprachen

Bis er eben 2012 die Nachricht bekam, er dürfe sich um die Nachfolge des damals bereits 85-jährigen (und im März 2020 gestorbenen) Albert Uderzo bewerben. Das darf nicht jeder. Und so kam Conrad zu "Asterix" - und Jean-Yves Ferri über einen weiteren Wettbewerb zur Nachfolge des 1977 gestorbenen Texters René Goscinny. Eine Herausforderung: Mit der aktuellen Startauflage von fünf Millionen Exemplaren in 17 Sprachen zählt die Serie zu den erfolgreichsten belletristischen Formaten weltweit.

Und anders als viele andere Comics sind Conrads "Asterix"-Alben bis heute Handarbeit. Geschaffen mit größter Perfektion: Nicht einmal den Pinsel (Winsor und Newton, Serie 7, Nummer 0) tauscht er in der entscheidenden Tusche-Phase aus. Erst bei der Kolorierung kommt auch ein Computer zum Einsatz. In Sachen Detailreichtum setzt er ständig neue Maßstäbe. "Asterix und der Greif" spielt in den Steppen Osteuropas - zeichnerisch sind schneereiche Landschaften eine komplizierte Sache. Hinzu kommen unzählige Reminiszenzen: Mal würdigt Conrad den Sänger Charles Aznavour, dann (als Zenturio Brudercus) den Rambo-Bösewicht Brian Dennehy, dann spielt er auf die Schlacht Napoleons gegen die Russen bei Borodino an oder auf die Mauer in "Game of Thrones".

In diesem Jahr hat der Zeichner seinen Szenaristen übrigens nicht mal auf einem dieser traurigen Pressetermine getroffen. Wegen Grippe musste er absagen. Ob sie vielleicht doch noch mal gemeinsam in den Urlaub fahren werden, die beiden Home-Office-Gallier? "Ach, ich weiß nicht", sagt Didier Conrad.

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