Süddeutsche Zeitung

Finanzbranche:Alexander wer?

Die Deutsche Bank findet einen neuen Aufsichtsratschef. Er steht vor gewaltigen Aufgaben. Die Personalie wirkt allerdings wie eine Notlösung.

Kommentar von Meike Schreiber

Als am Freitagabend über die Ticker lief, wer neuer Aufsichtsratschef der Deutschen Bank werden soll, mussten viele in der Bankenbranche erst einmal googeln: Alexander Wynaendts, bis 2020 Chef des niederländischen Versicherers Aegon, soll den wichtigsten Posten in der deutschen Bankenlandschaft übernehmen. Mit ihm hatte wohl kaum jemand gerechnet. Amtsinhaber Paul Achleitner hatte auf Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer gesetzt, der dem Kontrollgremium angehört, dann aber absagte.

Nun also Wynaendts: Nicht nur, aber auch von ihm, wird abhängen, ob Deutschlands größtes Geldhaus irgendwann ein stabiles Geschäftsmodell findet, eines, das eben nicht damit einhergeht, Kunden über den Tisch zu ziehen, eines, das nicht vorrangig dazu dient, die eigene Belegschaft reich zu machen. Davon ist die Deutsche Bank leider immer noch recht weit entfernt - anderslautenden Beteuerungen zum Trotz.

Kann es der Neue? Für ihn spricht zunächst einmal, dass er nicht Teil des Klüngels von Corporate Germany ist, jenem Geflecht aus den immer gleichen Männer-Netzwerken, in dem freie Posten oft mit den besten Kumpels besetzt werden. Jemand von außen kann vielleicht nicht schaden. Gegen Wynaendts spricht allerdings, dass er als Versicherungsmann eher wenig vom Investmentbanking versteht, jenem Geschäft, das die Deutsche Bank nach wie vor dominiert.

Dieses Geschäft zu kontrollieren ist nicht trivial, allein der gesunde Menschenverstand reicht zumeist nicht; es braucht auch Erfahrung und ein Gefühl für Risiken. In der Bilanz der Deutschen Bank liegen immer noch verhältnismäßig viele schwer zu durchschauende Wertpapiere, es braucht einen unabhängigen Blick und viel Mut, sich durchzusetzen, um dem Vorstand die richtigen Fragen zu stellen. Zudem gilt Wynaendts' Bilanz bei Aegon als durchwachsen. Seine Wahl wirkt daher unter dem Strich wie eine Notlösung.

Wenn Wynaendts nicht den gleichen Weg gehen will wie Achleitner, unter dessen Aufsicht die Deutsche Bank ein Schatten ihrer selbst wurde, dann muss er zu Beginn seiner Amtszeit eine Bestandsaufnahme machen. Als Aufsichtsratschef ist er nicht für die Strategie zuständig, sondern für Rat und vor allem für Kontrolle. Er sollte fragen, ob die Deutsche Bank wirklich noch eine Chance hat, gegen die Wall- Street-Giganten anzukämpfen oder ob dies nicht inzwischen aussichtslos ist. Er muss prüfen, ob die Wertpapiere, welche die Investmentbanker in eine interne Abwicklungseinheit verschoben haben, richtig bewertet sind. Er muss fragen, welche Strafen oder Vergleichszahlungen der Bank noch drohen für krumme Derivategeschäfte, auch aus der jüngeren Vergangenheit. Und er sollte sich auch den Vorstand genau anschauen, also, ob dort genug Leute sitzen, die Konzernchef Christian Sewing kritisch hinterfragen.

Aus der Tatsache, dass in Wynaendts ein Niederländer nominiert ist, könnte man auch den Schluss ziehen, dass die Deutsche Bank eine Fusion in Europa anstrebt. Angesichts des immer noch schwachen Aktienkurses wird das größte deutsche Geldhaus dabei - Stand jetzt - ziemlich sicher keine Führungsrolle übernehmen. Die Bank sollte sich auch nicht um jeden Preis in eine Fusion stürzen: Wer ein gutes Geschäftsmodell hat, kann auch alleine stark sein. Für Wynaendts gibt es also allerhand zu tun. Dabei ist ihm mehr Erfolg zu wünschen als seinem Vorgänger.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5469330
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/nir
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.