Etwa 900 000 Menschen liken die "Bundesregierung" auf Facebook. Wenn es nach dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Ulrich Kelber, 53, geht, dann liken diese Menschen ab Ende dieses Jahres ins Leere. Kelber hat sämtliche Bundesbehörden am Montag aufgefordert, ihre Auftritte bei dem US-Unternehmen dichtzumachen. Grund ist, dass sich Facebook partout nicht an deutsche Datenschutzregeln halten möchte. Kelber zufolge ist auch nicht absehbar, dass es das jemals tun wird. Deshalb lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Der Brief an die Bundesbehörden hat den "Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit" (BfDI) - so lautet der vollständige Titel - mal wieder in die Schlagzeilen befördert. Und mal wieder steht er als Spielverderber da. Was? Bundesfinanzminister Scholz darf nicht mehr auf Facebook posten? Dabei ist es wahrscheinlich eigentlich gar nicht so wichtig, ob der Minister seine Pressemitteilungen auch auf Facebook veröffentlicht oder nicht. Versieht eh kaum jemand mit einem Like.
Die Rolle ist immer die selbe. Kelber mahnt, Kelber warnt, manchmal verwarnt er sogar, wenn auch eher selten. Für Bußgelder sind im föderalen Deutschland meist die Landesbehörden zuständig. Kelber dagegen ist meist eher eine Art Bundespräsident für den Datenschutz. Seine Behörde nimmt Stellung zu Vorhaben der Bundesregierung und Bundesbehörden. Er erklärt und klärt auf.
Kelber wurde in Bamberg geboren, seine Familie zog jedoch schon bald nach Bonn. 17-jährig trat Kelber dort in die SPD ein und besetzte schon bald ein in der NRW-SPD in den Nuenzigern nicht gerade populäres Thema als Juso-Bundessprecher: Umwelt und Energiepolitik. Da durfte er schon einmal üben mit dem Warnen und Mahnen. Auch wenn ihm die Entwicklung der Klimapolitik in den vergangenen 30 Jahren recht gibt, so kam sein Engagement nicht bei allen in der Kohle-SPD hervorragend an. Nebenbei studierte Kelber auch, Biologie und Informatik.
Kelber hat auch in der freien Wirtschaft gearbeitet. Zuerst in einem Forschungszentrum für Informatik, dann als Berater eines IT-Unternehmens. Im Jahr 2000 rückte er in den Bundestag nach, 2002 (und bei allen folgenden Bundestagswahlen) gewann er das Bonner Direktmandat der SPD. Kelber saß im Bundesvorstand der SPD, 2013 bis 2018 war er Parlamentarischer Staatsekretär im Justizministerium, zuständig für Verbraucherschutz. 2019 dann einigte sich die große Koalition darauf, ihn in das Amt des Bundesdatenschutzbeauftragten zu wählen. Kelber verpasste dem Amt sofort neuen Schwung. Er interpretiert den Job eher offensiv, so wie sein Vorvorgänger Peter Schaar, dem das Kunststück gelang, 2008 als Grüner während einer großen Koalition wiedergewählt zu werden. Wie es sich für Menschen, die professionell mit dem Internet zu tun haben, gehört, ist Kelber versierter Twitter-Nutzer, hier äußert er sich zuverlässig zu Datenschutzthemen und zu Siegen eines Bonner Baseballklubs.
Zu seinen professionellen Gegnern gehören zwei CSU-Politiker, der Vorsitzende Markus Söder und Bundesinnenminister Horst Seehofer. Söder gehörte zuletzt zum Chor derer, die meinten, man müsse jetzt doch wirklich mal auf Datenschutz verzichten, um die Leute vor Corona zu bewahren. Kelber musste daraufhin erklären, dass Handytracking für die Corona-Verfolgung nicht nur datenschutzrechtlicher, sondern auch epidemiologischer Unsinn wäre. Mit Seehofer gerät Kelber qua Funktion noch deutlich häufiger aneinander: Vorratsdatenspeicherung, Hintertüren in Messengern, Gesichtserkennung, alles Dinge, die Seehofers Behörde wünscht und die Kelbers Behörde verhindern möchte. So lobt etwa die FDP, es gelinge Kelber immer wieder, Bürgerrechten im Internet höhere Bedeutung zu verleihen. Klingt wie die Jobbeschreibung eines Datenschutzbeauftragten.