Justiz:Staatsanwälte ohne Maß

Ein Ex-Warburg-Manager gesteht im Cum-Ex-Prozess. Die Ankläger forderten trotzdem eine hohe Haftstrafe. So gelingt Aufklärung nicht.

Von Nils Wischmeyer

Der Spruch "Leistung muss sich wieder lohnen" ist in der deutschen Politiklandschaft tief verankert. Diverse Parteien haben ihn schon für eigene Zwecke genutzt. Analog müsste es bald den Spruch geben: Gestehen muss sich wieder lohnen. Denn wie die Staatsanwaltschaft im dritten Cum-Ex-Prozess vor dem Landgericht Bonn agierte, wirft die Frage auf, ob künftig noch beschuldigte Cum-Ex-Akteure bei ihr aussagen möchten.

Angeklagt war der ehemalige Geschäftsführer der Warburg Invest, einer Tochtergesellschaft der M. M. Warburg. Er soll geholfen haben, Cum-Ex-Geschäfte durchzuführen. Der Steuerschaden beläuft sich auf mehr als 100 Millionen Euro. Cum-Ex-Geschäfte sind komplizierte Aktiendeals, bei denen diverse Beteiligte große Aktienpakete über den Dividendenstichtag handeln und sich Steuern vom Staat erstatten lassen, die zuvor niemand abgeführt hat.

Immerhin reagierte die Kammer und verkürzte das Strafmaß

Dass der angeklagte Manager lange mauerte, mag nicht die klügste Taktik gewesen zu sein. Dass er aber schlussendlich ein vollumfängliches Geständnis ablegte, ist ihm hoch anzurechnen - auch, weil er der erste Warburg-Manager ist, der sich das traut.

Es irritiert deshalb und ist ein befremdliches Signal an alle weiteren Beschuldigten, dass die Staatsanwaltschaft trotzdem eine Haftstrafe von sieben Jahren forderte. Die Ermittler können von Glück sagen, dass immerhin die Kammer das entsprechende Augenmaß bewies und den Angeklagten am Ende zu "nur" drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilte.

Geschadet haben die Staatsanwälte derweil sich selbst. Geständnisse verkürzen oft die Beweisaufnahme und helfen bei der Aufklärung. Sie nicht zu belohnen eliminiert den Anreiz, sich oder andere zu belasten. Welch ein fatales Signal: Zu mauern lohnt sich, zu gestehen nicht. Das macht die Ermittlungsarbeit komplizierter und zieht Prozesse in die Länge. Dass die Staatsanwaltschaft das offenbar nicht bedacht hat, ist töricht.

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