Süddeutsche Zeitung

Corona-Test-Pannen:Ämter brauchen nun jede mögliche Unterstützung

Das Debakel bei Corona-Tests in Bayern zeigt auf: Die Ämter sind immer noch nicht ausreichend ausgestattet. Der Bund sollte dafür sorgen, dass die Versorgung auf der untersten Ebene funktioniert.

Kommentar von Kristiana Ludwig, Berlin

Es ist schon enttäuschend. Da spricht Ministerpräsident Markus Söder (CSU), sonst Virus-Bekämpfer an vorderster Front, erst davon, dass Bayern seine Corona-Tests "massiv" ausgeweitet habe. Und keine drei Tage später muss ein Herr Andreas Zapf vom Landesgesundheitsamt vor die Presse treten und über seine ernüchternden Erfahrungen mit den Autobahn-Untersuchungen von Urlaubern berichten: Diese computergestützten Tests seien leider "gar nicht so trivial", Helfer hätten die Formulare handschriftlich ausfüllen müssen, überhaupt habe es viel mehr Tests gegeben als gedacht. Jetzt also müssen Zehntausende Menschen auf ihre Ergebnisse warten. Eine unschöne Nachricht.

Allerdings gibt es noch eine zweite Perspektive auf das bayerische Debakel: Immerhin gibt es hier Herrn Zapf - jemanden, der öffentliche Gesundheitsaufgaben für ein Bundesland koordiniert, der zumindest versucht, den Überblick in der Corona-Lage zu behalten und der Verantwortung trägt. Das ist bei Weitem nicht überall in Deutschland so.

Anders als die Auftritte der Ministerpräsidenten in den vergangenen Monaten wirkten, sind es nicht markige Politiker mit Führungsanspruch, die über den Ausgang der Corona-Krise entscheiden werden. Diese Pandemie wird im Augenblick vor allem in den Untiefen der kommunalen Verwaltungen bekämpft, von Gesundheitsämtern, die vor Corona nahezu in Vergessenheit geraten waren. Während es in Bayern zumindest auf Landesebene Strukturen gibt, die den Infektionsschutz regeln könnten, sind diese Ämter in anderen Bundesländern oft auf sich allein gestellt. Sie sind dann auf behelfsmäßige Unterstützung angewiesen.

In der bisherigen Hochphase der Pandemie, im Frühjahr, waren es oft freiwillige Medizinstudenten, die den Gesundheitsämtern bei der Kontaktnachverfolgung von Infizierten helfen sollten. Die hatten zwar Elan, aber kaum Kenntnisse über Epidemiologie oder Behördenstrukturen. Beim bislang größten Ausbruch in Gütersloh eilten einige Mitarbeiter vom Robert-Koch-Institut und die Bundeswehr zur Hilfe - und verschwanden danach wieder. Andernorts mussten Angestellte aus dem Veterinär- oder dem Sozialamt in die chronisch unterbesetzten Gesundheitsbehörden umziehen. Berichte, dass es an digitalen Kommunikationswegen für Testergebnisse fehlt, kommen seit Monaten nicht nur aus Bayern, sondern aus vielen kommunalen Ämtern. Die Regierungskoalition hat für die digitale Aufrüstung Geld versprochen. Angekommen ist es noch nicht.

Auch bei den verpflichtenden Massentests für Reiserückkehrer zeigt der Föderalismus keine Gnade: In Bayern läuft es an den Autobahnen schlecht - in Nordrhein-Westfalen etwa gibt es gar keine Testzentren an der Straße. Stattdessen fürchten sich nun die Hausärzte vor einem Ansturm hustender Spanien-Urlauber in ihren Praxen. Selbst die Testzentren an den Flughäfen organisiert in NRW keine Behörde. Diese Aufgabe hat das Land kurzerhand den Kassenärzten übertragen. Doch wer würde hier schuldbewusst vor die Kameras treten, wenn sich die Tests ungeprüft stapeln würden? Die föderale Vielfalt in der Corona-Bekämpfung offenbart auch einen kreativen Umgang der Politiker mit Verantwortung.

Aktuelles zum Coronavirus - zweimal täglich per Mail oder Push-Nachricht

Alle Meldungen zur aktuellen Lage in Deutschland und weltweit sowie die wichtigsten Nachrichten des Tages - zweimal täglich im SZ am Morgen und SZ am Abend. Unser Newsletter bringt Sie auf den neuesten Stand. Kostenlose Anmeldung: sz.de/morgenabend. In unserer Nachrichten-App (hier herunterladen) können Sie den Nachrichten-Newsletter oder Eilmeldungen auch als Push-Nachricht abonnieren.

Doch jetzt, wo bekannt ist, wie wichtig der öffentliche Gesundheitsdienst für die Bewältigung dieser Krise ist, sollte die Politik nicht länger warten. Konzepte für eine langfristig bessere Personalgewinnung in den Gesundheitsämtern sind richtig, doch sie dauern viel zu lange. Was die Behörden, die Tests und Quarantäne organisieren müssen, jetzt brauchen, ist schnelle und fähige Unterstützung. Sinnvoll wären etwa gut geschulte Expertenteams, die in entscheidenden Phasen dieser Pandemie anpacken könnten. Digital geschult, mit medizinischem Hintergrund, könnten solche Corona-Teams zum Ende der Sommerferien an den Autobahnen in Bayern helfen - und im Herbst vielleicht anderswo. Verantwortung für den Aufbau einer solchen Truppe könnte der Bund übernehmen. Zumindest sollte er sich dafür verantwortlich fühlen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4998838
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/bix
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.