Süddeutsche Zeitung

Corona-Betrug:Scham ist keine Lösung

Wo der Staat schnell und unbürokratisch handelt, sind Betrüger nie fern. Da hilft leider nur eins: Man muss die Niedertracht Einzelner mitdenken.

Kommentar von Michael Bauchmüller, Berlin

Wenn in diesem Land ganz schnell etwas geschehen muss, dann ist die "unbürokratische Lösung" nie fern. Dann gehen Dinge ohne Anträge und Fristen, ohne Prüfung und Einspruch. So war das, als Tausende Betriebe plötzlich vor dem Corona-Nichts standen, als sehr schnell sehr viele Masken vonnöten waren, oder als es rasch jene Schnelltests brauchte, die zumindest ein paar Freiheiten erlauben sollten. Es ist eigentlich eine Stärke dieses Staates, dass er auch unbürokratisch handeln kann.

In keinem dieser Fälle hat das reibungslos geklappt. Betriebe haben ohne Not Hilfen abgegriffen. Um die Masken ist ein Millionengeschäft entstanden, an dem selbst Abgeordnete mitverdienten. Und bei den Tests, das zeigen die Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR, werden womöglich viel mehr abgerechnet, als je gemacht wurden. Es gibt in diesem Land eben auch viele, die sich ganz unbürokratisch bereichern wollen.

Das macht rasche Reaktionen nicht falsch. Es wird immer wieder Probleme geben, die keinen Verzug dulden. Aber es braucht auch den raschen zweiten Schritt, der die Niedertracht Einzelner mitdenkt: die Kontrolle, die Stichprobe, die Rückkehr zu Bürokratie. Die sich an der Pandemie bereicherten, sagt Gesundheitsminister Spahn, sollten sich schämen. Auf solche Scham sollte der Staat nie zählen.

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