Kultur in der Pandemie:Ein Lichtblick

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Bald wieder gut gefüllt? Das Berliner Ensemble, streng nach Corona-Regeln bestuhlt. (Foto: imago stock/imago images/photothek)

Der Bund investiert 2,5 Milliarden Euro in Theater, Kino, Konzerte. Das ist nicht nur wirtschaftlich wichtig.

Von Laura Hertreiter

Es ist Zeit, sich langsam von der Jogginghose zu entwöhnen, die ersten Abende mit Kino, Theater, Oper oder Konzert sind jetzt ein großes Stück näher gerückt. Gerade hat der Bund bekanntgegeben, dass 2,5 Milliarden Euro in die Veranstaltungsbranche investiert werden, eine Art Turbo für die Wiedereröffnung. Damit sichert die Regierung das kulturelle Leben deutlich schneller und entschiedener, als das in anderen Ländern der Fall ist. Das ist in diesen düsteren Jogginghosentagen, in denen man sich über unübersichtliche Pandemieregeln, wackeligen Digitalunterricht und vergessene Kinderbedürfnisse ärgern muss, ein Lichtblick. Und für die Branche selbst, nach nachtschwarzen Monaten, ein Scheinwerfer.

Inzwischen ist man ja gefährlich an den Trugschluss gewöhnt, dass Inzidenzwerte das Leben bestimmen, dass die Welt bei "unter 30" wieder okay ist. Letztlich aber regiert noch immer das Geld, und das sieht man auch und besonders an den Öffnungsszenarien in der Kultur. Mal davon abgesehen, dass manche deutsche Kleinkunstbühnen, Clubs und Theater gar nicht mehr öffnen werden, weil sie die Pandemie nicht überstanden haben - während in den USA ganze Kinoketten ausgestorben sind: Das Öffnen selbst ist auch erst mal teuer. Kinos zum Beispiel dürfen bundesweit von Juli an Filme zeigen. Ob sie das auch tun, hängt von den Auflagen der Länder ab. Davon, ob sich das Ganze auch ohne Popcorn, Coke und vollbesetzte Säle lohnt. Das macht die Milliardenentscheidung des Bundes nun wahrscheinlicher. Zumal sie klüger geplant ist als viele Gießkannenausschüttungen.

Von Juli an soll es Ausgleichszahlungen für Veranstalter geben, die Höhe richtet sich nach Preis und Zahl der verkauften Eintrittskarten und nach der Auslastung des Saales, der Wettbewerbsgedanke bleibt. Von Herbst an ist das Budget dann auch als eine Art Versicherung vorgesehen für Großveranstaltungen, die coronabedingt entfallen. Heißt: Veranstalter, die sich seit einem Jahr von Tag zu Tag hangeln, können besser planen. Wie viel, wird die Praxis zeigen.

Nach dem Überleben kommt das Erleben

Das ist in erster Linie eine wirtschaftliche Entscheidung zugunsten einer heftig gebeutelten Branche, die bislang im Regal der Pandemieprioritäten eher Bückware war (auf der Liste Bayerns rangierten die Museen hinter den Kosmetikstudios und Bordellen), einer Branche, zu der mehr als 250 000 Unternehmen und mehr als eine Million Hauptberufler zählen, deren teils prekäre Arbeitsbedingungen die Seuche gnadenlos offengelegt hat. Der Fonds ist also die Reaktion auf die wirtschaftliche Dringlichkeit, den drohenden Kollaps weiter Teile der Kulturwirtschaft abzuwenden. Er ist aber auch eine soziale Notwendigkeit.

Was alles fehlt, in diesem verfluchten Jahr, werden wir oft erst im Nachhinein bemerken. Die Gänsehaut in der Oper, das verfliegende Geraune, kurz bevor sich der Theatervorhang hebt, das Lichtermeer vor der Konzertbühne, das Gefühl, mit Fremden gemeinsam etwas Großes, Uraltes, Brandneues, Bewegendes, Aufrüttelndes zu erleben. Opernarien, Pinselstriche, Kinoblockbuster, Meisterwerke, Pointen, Schlussakkorde. Man kann das auf seiner persönlichen Skala von nebensächlich bis existenziell einsortieren. Aber das Wissen, dass es in diesem Land weiter nicht nur ums Überleben geht, sondern ums Erleben, das ist doch erst mal unbezahlbar.

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