Süddeutsche Zeitung

Corona:Die zweite Chance

Die Entscheidungen von heute bestimmen, wie Deutschland durch den Corona-Herbst kommt. Jetzt ist die Zeit, um ohne große Mühe eine Strategie der Niedriginzidenz zu wählen. Vor einem Jahr wurde diese Gelegenheit vertan.

Kommentar von Hanno Charisius

Am Sonntag meldete das Robert-Koch-Institut, dass die bundesweite Inzidenz nach wochenlanger Talfahrt wieder leicht angestiegen ist. Der R-Wert, der angibt, an wie viele Menschen ein Infizierter das Virus weiter gibt, war bereits am Freitag wieder auf eins gestiegen. Ist dieser Wert größer als eins, beschleunigt sich die Pandemie, eine weitere Infektionswelle droht. Ist die Zeit der Ruhe also schon wieder vorbei?

Nicht unbedingt: Der R-Wert ist ein wichtiger, bei kleinen Fallzahlen aber auch ein sehr nervöser Indikator. Ist die Zahl der täglich gemeldeten Infizierten eine Zeit lang sehr niedrig, genügt ein größerer Ausbruch, um den R-Wert deutlich steigen zu lassen. Allerdings gab es keinen Sprung nach oben, sondern ein langsames Klettern. Versteckt in den kleinen Infektionszahlen, hat die hochinfektiöse Delta-Variante die Kontrolle übernommen und breitet sich aus.

Die steigenden Zahlen mahnen zur Wachsamkeit. Der R-Wert ist träge, er bildet das Infektionsgeschehen vor etwa zwei Wochen ab. Wahrscheinlich werden die Fallzahlen weiter steigen. Zunächst langsam, in einigen Wochen wohl wieder schneller. Die Entscheidungen von heute bestimmen, wie der Herbst wird. Jetzt ist die Zeit, um noch ohne große Mühe eine Strategie der Niedriginzidenz zu wählen. Vor einem Jahr wurde diese Chance vertan.

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