Profil:Die Sensation im deutschen Gefühlsfernsehen

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(Foto: Mary Evans/Imago Images)

Schauspielerin Claudia Michelsen setzt mit ihrer Rolle in "Ku'damm" einen verblüffenden komödiantischen Glanzpunkt in ihrer Karriere.

Von Claudia Tieschky

Caterina Schöllack ist zurück, die schlimmste und herrlichste Person im deutschen Gefühlsfernsehen, denn nichts anderes natürlich ist "Ku'damm", die Nachkriegs-Saga um die Frauen der Berliner Tanzschule Galant. Eine Mutti zum Liebhaben war sie noch nie für ihre drei Töchter, deren Schicksal in der Serie verhandelt wird, sondern eine grell geschminkte Geschäftsfrau der Überlebenskunst, verbohrt, selbstsüchtig, überkonform und voller Lebenslügen. In gewisser Weise ist die Matriarchin Caterina Schöllack das, was Don Draper in "Mad Men" für sein Milieu war - die perfekte Ausprägung einer gnadenlosen Aufstiegszeit.

Dass man als Zuschauer auch in der insgesamt eher abgeflachten dritten Staffel wieder hingerissen auf jeden fiesen Satz dieser Tyrannin lauert, liegt an der Schauspielerin Claudia Michelsen. Sie macht Caterina Schöllack zur Sensation, indem sie dieser grausamen Person eine wirklich abgefahrene Überdrehtheit schenkt, eine Nuance, wie von Frauengold beschwipst. Und wenn die Schöllack diesmal vom Bus angefahren wird und den Töchtern im Krankenhaus beglückt erzählt: "Der Professor hat mich persönlich operiert!", dann ahnt man, das dieser Mutterdrachen insgeheim voller Groschenroman-Sehnsüchte steckt.

Claudia Michelsen setzt in "Ku'damm" den verblüffenden komödiantischen Glanzpunkt einer Karriere, die eine Weile fest im todernsten wertvollen Fernsehfilm verortet schien. Sie spielte Hauptrollen zum Beispiel in der Dresden-Erzählung "Der Turm" nach Uwe Tellkamp, in der Liebesgeschichte "Grenzgang" mit Lars Eidinger, als Notfallseelsorgerin in Aelrun Goettes "Im Zweifel" oder in "12 heißt: Ich liebe dich", da verliebt sich eine Dissidentin in den von Devid Striesow gespielten Stasi-Offizier, der sie im Gefängnis verhört.

Ernsthaftigkeit und Direktheit, manchmal eine unbequeme Nachdenklichkeit über die Verhältnisse in der Welt und Zielstrebigkeit in beruflichen Dingen sind tatsächlich Eigenschaften, die man an Claudia Michelsen beobachten kann. Dazu mischt sich bei Gesprächen mit ihr etwas ganz Federleichtes, geradezu Versonnenes, das nicht mit Verträumtheit zu verwechseln ist, aber ohne das es womöglich die Aufbrüche in ihrem Leben nicht gegeben hätte.

Aufbruch eins, mit fünfzehn Jahren aus Dresden, wo sie sie 1969 zur Welt kam, die Mutter ist Zahnärztin an der Poliklinik, der leibliche Vater, den sie lange nicht kennenlernt, der Komponist Udo Zimmermann: Michelsen kommt als Teenager nach Berlin an die Schauspielschule Ernst Busch und zur Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, arbeitet mit Henry Hübchen, Frank Castorf, Heiner Müller, Luc Bondy. Die erste Berliner Wohnung ein Zimmer mit Ofenheizung und Außenklo, am Theater der politische Aufbruch, die Diskussionen, alles in ist Bewegung. 1991 eine Rolle in Jean-Luc Godards "Allemagne 90 neuf zéro". Noch ein Aufbruch: 1995 mit Josef Rusnak, ihrem ersten Ehemann, nach Los Angeles. Sehnsucht nach Europa. 2001 die Rückkehr nach Berlin.

Sie hat sich künstlerisch dann in viele Richtungen aufgemacht. Sie war zusammen mit Samuel Finzi in der ZDF-Serie "Flemming" früh im richtig guten Seriengeschäft. In dem eher bühnenfern inszenierten Brecht-Musical "Dreigroschenfilm" von 2018 ist sie Frau Peachum und traut sich sogar zu singen. Und im Magdeburger "Polizeiruf 110" ermittelt sie als Doreen Brasch jetzt mehr oder weniger allein, die männlichen Kommissare an ihrer Seite hielten sich nicht lange. Die wortkarge Einzelgängerin Brasch ist auf dem besten Weg zu einer Art Schimanski-Epigonin.

Das ZDF weiß offenbar, was es an seiner Caterina Schöllack hat, und gönnt ihr zuweilen erstaunliche Sätze. Als sie 1963 einen Fernseher bekommt, in dem nun sogar das neue "Zweite Deutsche Fernsehen" zu empfangen sein soll, moniert sie übellaunig: "Als ob eines nicht genug wäre."

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