Süddeutsche Zeitung

Angela Merkel:Nur die Chinesen nicht verärgern

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Die Kanzlerin fährt seit Jahren einen Schlingerkurs gegenüber Peking. Ein bisschen Kritik an Menschenrechtsverletzungen geht schon - aber nur so viel, dass sich der wichtige Handelspartner nicht provoziert fühlt.

Von Daniel Brössler

Sieben Monate auf hoher See sind eine lange Zeit. Der Fregatte Bayern werden sie genügen für eine Fahrt über das Mittelmeer zum Horn von Afrika und dann weiter Richtung Japan, Vietnam, Südkorea, Singapur, Australien und zurück. Sieben Monate können allerdings auch politisch verdammt lang werden. Wenn die Besatzung der Bayern, die an diesem Montag von Wilhelmshaven aus in See sticht, Ende Februar wieder deutschen Boden betritt, wird das Land nach menschlichem Ermessen längst eine neue Bundesregierung haben. Es wird dann interessant werden, welche Schlüsse die neue politische Führungsmannschaft aus einer Mission zieht, über deren Zweck sich die alte überaus uneins zu sein schien. Ob die Bundeswehr im Indopazifik vor allem auch Flagge zeigen sollte gegen einen grenzlosen Machtanspruch Chinas oder doch vor allem nur auf Reisen geht, um alte Freundschaften in der Region zu bekräftigen, darüber gingen die Meinungen auseinander.

Das ist durchaus typisch für eine China-Politik, deren Hauptmerkmal die Uneindeutigkeit gewesen ist. Es war eine Politik, die in China einerseits den machtbewussten Systemrivalen erkannte, dem machtvollen Handelspartner aber andererseits nicht zu nahe treten wollte. In keinem Bereich hat sich das so deutlich gezeigt wie beim Umgang mit dem chinesischen Technologiekonzern Huawei. Die schwarz-rote Bundesregierung mochte beim Aufbau des 5G-Mobilfunknetzes Huawei und damit realistischerweise dem chinesischen Überwachungsstaat weder den Weg ebnen noch klar und konfrontativ versperren. Auch mochte sie einerseits nicht schweigen zu den haarsträubenden Verbrechen an den Uiguren oder zur Abschaffung der Demokratie in Hongkong, andererseits mochte sie Pekings Führung nicht allzu sehr verärgern.

Die deutschen Wirtschaftsinteressen kommen zuerst

So mäandernd deutsche China-Politik also wirken mochte, so mündete sie doch letztlich immer dort, wo Angela Merkel sie haben wollte. Die Bundeskanzlerin mag sich über die Natur der Herrschaft von Präsident Xi Jinping im Inneren so wenig Illusionen gemacht haben wie über seinen Machtanspruch nach außen. Sie mag auch von einer gemeinsamen europäischen Politik gegenüber der Führung in Peking gesprochen haben. In der praktischen Umsetzung riskierte sie in den vergangenen Jahren aber weder deutsche Wirtschaftsinteressen noch eine Situation, in der sich die Wut der chinesischen Machthaber über Kritik aus dem Ausland allzu sehr gegen Deutschland gerichtet hätte. Einer von US-Präsident Joe Biden ausgerufenen Allianz demokratischer Staaten, die sich gegen China richten solle, entzog sich Merkel.

Zwar lässt sich die politische Lage nach der Rückkehr der Fregatte Bayern in die Heimat nicht vorhersagen. Abzusehen ist dennoch, dass die bisherige deutsche China-Politik nicht nahtlos fortzusetzen sein wird. Als Oppositionsparteien haben sowohl die Grünen als auch die FDP sich deutlich abgesetzt von der Linie der schwarz-roten Koalition. Beide Parteien haben einen klareren Kurs verlangt, wenn es um die Lage der Uiguren, die Rechte der Menschen in Hongkong oder die Muskelspiele Chinas in der Region geht. Mindestens eine der beiden Parteien, womöglich beide, werden in die Verlegenheit kommen, ihren Worten schon bald in der Regierung Taten folgen zu lassen. Abzusehen ist allerdings auch, dass ein Bundeskanzler Armin Laschet (CDU) möglichst viel von Merkels Mäandern in die neue Zeit retten wollen würde.

Europa muss dem chinesischen Machtanspruch endlich Grenzen setzen

In dieser neuen Zeit dürften sich Widersprüche innerhalb der Bundesregierung allerdings noch als eines der kleineren Probleme erweisen. In den vergangenen Jahren hat China nicht nur den totalitären Herrschaftsapparat im Inneren mit neuester digitaler Technik ausgebaut, sondern auch international den Druck auf alle erhöht, die dem Pekinger Machtanspruch tatsächlich oder vermeintlich im Wege stehen. Anders als zu Zeiten des Kalten Krieges, geht es den chinesischen Machthabern dabei weniger darum, ihre höchst eigene Vorstellung von Kommunismus in die Welt zu tragen, als darum, weltweit die eigenen Interessen ohne jedwede Rücksicht durchsetzen zu können. Geschehen soll das vorzugsweise durch ein Netz von Abhängigkeiten, zur Not aber auch mit der Androhung militärischer Gewalt.

Die Zukunft der westlichen Demokratien und auch der Europäischen Union hängt davon ab, ob es gelingt, diesem chinesischen Machtanspruch Grenzen zu setzen. Angela Merkel erweckte mitunter den Eindruck, gar nicht mehr daran zu glauben, dass Europa sich behaupten könnte. Zu wünschen wäre, dass sich die nächste Bundesregierung ausdrücklich nicht in diese Tradition der bisherigen Kanzlerin stellt. Dabei wird es nicht darum gehen, sich abzukoppeln vom chinesischen Markt, wie es in den USA gefordert wird. Wohl aber wird die EU zu einer selbstbewussten Haltung finden müssen, und das auch dann, wenn sie mit wirtschaftlichen Kosten verbunden ist. Ob das gelingt, hängt nicht nur, aber maßgeblich von der nächsten Bundesregierung ab.

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