Profil:Er beugt sich nicht

Profil: Yang Hengjun mit seiner Frau Yuan Xiaoliang in besseren Zeiten.

Yang Hengjun mit seiner Frau Yuan Xiaoliang in besseren Zeiten.

(Foto: AP/AP)

China macht dem Australier Yang Hengjun, einem landesweit bekannten Blogger und Aktivisten, wegen obskurer Vorwürfe den Prozess. Dabei geht es auch um einen internationalen Machtkampf.

Von Lea Sahay

Mehr als 300 Mal haben sie ihn befragt, gefesselt und mit verbundenen Augen. Gestanden hat Yang Hengjun nichts. Weil er niemals etwas gestehen werde, was er nicht getan hat, schrieb der Australier nach 26 Monaten Haft in China in einem Brief an seine Unterstützer. Er sei unschuldig und werde bis zum Ende kämpfen.

Seit Donnerstag steht der Aktivist, Blogger und Romanautor in Peking vor Gericht. Im Januar 2019 war der in China geborene Schriftsteller bei einer Reise nach China von Sicherheitskräften am Flughafen in Guangzhou abgeführt worden. Yang, der eine australische Staatsbürgerschaft besitzt, habe die Staatssicherheit Chinas gefährdet, hieß es zur Begründung später. Außerdem soll er für ein ausländisches Land spioniert haben. Für welches, hat ihm nie jemand gesagt.

Zugang zu Anwälten hatte der 56-Jährige während seiner Haftzeit nur begrenzt, seine Familie hat Besuchsverbot. Geiseldiplomatie nennt sich dieses Vorgehen, bei dem Peking Staatsbürger anderer Länder verschleppt. Wovon es in den vergangenen Jahren immer großzügiger Gebrauch gemacht hat. Als Tauschware wie im Fall der zwei Kanadier, die 2018 als Rache für die Festsetzung der Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou in Kanada festgenommen wurden. Oder als Vergeltungsaktion gegen unwillige Staaten, die sich Pekings Machtspielen nicht länger unterwerfen wollen. Yang fällt eher in die letztere Kategorie.

Für seine Unterstützer ist der Australier ein Demokratiekämpfer, der auf mehr Freiheit in Chinas autokratischem System drang. Er forderte keine Revolution, doch aber Reformen, mehr Freiheit und Freiräume für eigene Gedanken und Austausch. In den sozialen Medien veröffentlichte er zahlreiche Essays zu Themen wie dem chinesischen Nationalismus oder der US-Politik. Er gehört in ganz China zu den bekannteren Bloggern.

Doch Yang hat nicht nur Fans. Er habe schon lange immer lauter geschwiegen, sagen Kritiker. Geld verdiente Yang zum Zeitpunkt seiner Verhaftung nicht nur mit dem Schreiben, sondern auch mit einem lukrativen Handel von internationalen Luxusgütern, importierter Babynahrung und Pflegeprodukten.

Yang stammt aus ärmlichen Verhältnissen, arbeitete sich als junger Mann ohne Beziehungen bis an die renommierte Fudan-Universität in Shanghai hoch. Nach eigenen Angaben war er nach seinem Abschluss auch für das Außenministerium in Peking tätig, was dieses bis heute bestreitet. Die Bücher, die Spionage-Thriller, die Yang über die chinesischen Geheimdienste geschrieben hat, sollen auf seinen eigenen Erfahrungen mit den Diensten basieren. Zumindest die biografischen Ähnlichkeiten zwischen ihm und seinem Romanhelden sind nicht zu überlesen.

Australien fürchtet, China nehme im Land schon jetzt zu viel Einfluss

Seit Yangs Festnahme sind die Beziehungen zwischen Australien und China auf ein historisches Tief gefallen. Schon seit Jahren beobachtet die australische Regierung mit Sorge die wachsenden Machtansprüche Pekings in der Demokratie. Besonders der Einfluss auf die vielen Australier mit chinesischem Migrationshintergrund bereitet in Canberra Kopfschmerzen, dazu kamen nationale Skandale um mit chinesischem Geld gekaufte Abgeordnete und politische Abhängigkeiten im Land.

Als Australien im vergangenen Jahr eine unabhängige Untersuchung des Coronavirus-Ausbruchs forderte, reagierte China als wichtigster Importeur australischer Rohstoffe mit massiven Wirtschaftssanktionen, blockierte den Export australischer Produkte wie Rindfleisch, Wein und Kohle.

Australische Diplomaten waren am Donnerstag nicht zu der Verhandlung zugelassen. Dass der Australier für schuldig gesprochen wird, damit ist zu rechnen. China hat eine Verurteilungsrate von mehr als 99 Prozent. Im schlimmsten Fall droht ihm die Todesstrafe. In seinem Brief schrieb Yang, dass es nichts Befreienderes gäbe, als wenn die schlimmsten Ängste wahr würden. "Ich habe keine Angst mehr."

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