Cem Özdemir ist jetzt ganz bei seiner politischen Zukunft, in Baden-Württemberg. „Hier sind meine Wurzeln, hier bin ich daheim“, schreibt er auf seiner förstergrünen Homepage. Und deshalb wolle er der nächste Ministerpräsident werden. Irgendwo ganz unten ist ein grünes Parteilogo versteckt, allerdings in Blassgrün. Von seinen Erfolgen als Landwirtschaftsminister schreibt er nichts.
Das hat Gründe. Denn der sympathische Minister hat sich vor allem bemüht, geräuschlos zu regieren. Geräuschlos, das heißt im Landwirtschaftsministerium: ohne Konflikte mit den Landwirten. Ohne Konflikte mit den Landwirten und ihrem mächtigen Bauernverband heißt aber dummerweise auch: ohne nachhaltigen Fortschritt. Und genauso liest sich die Bilanz Cem Özdemirs nach drei Jahren im Amt – aus ökologischer Sicht verheerend.
Glyphosat vom Markt nehmen? Nicht geschehen
Offenkundig wurde das jüngst beim Abschlussbericht einer Kommission, die sich mit der Zukunft der Landwirtschaft befasst hatte. Seit fünf Jahren gibt es sie, zum zweiten Mal legte sie einen Abschlussbericht vor. Doch der zweite bekräftigt vor allem die Forderungen des ersten – allen voran jene, endlich öffentliches Geld für die Landwirtschaft so zu verwenden, dass es auch öffentliche Leistungen erbringt. Leistungen wie Artenvielfalt am Acker, gute Böden, gute Gewässer, gesunde Tiere. Denn geschehen ist in dieser Hinsicht wenig.
Glyphosat zum Beispiel, so stand es glasklar im Koalitionsvertrag, wollte die Koalition bis Ende 2023 vom Markt nehmen. Passiert ist nichts. Ein Konzept sollte entstehen, wie sich die EU-Agrarsubventionen künftig an Klima- und Umweltleistungen orientieren sollten. Stattdessen wirkte Özdemir daran mit, Umweltauflagen zurückzudrehen. Der Umbau der Tierhaltung ist auf halber Strecke ins Stocken geraten.
Manches ist an der FDP gescheitert, das stimmt. Aber es hat auch viel mit dem Ehrgeiz Özdemirs zu tun, das Ministerium zu seinem Sprungbrett nach Stuttgart zu machen. Konflikte mit den Landwirten schadeten da nur. Die Folge: Der Deutsche Bauernverband, der immer wieder geschickt das Kollektiv der Landwirte mobilisiert, um Partikularinteressen Einzelner durchzusetzen, hatte mit dem Grünen leichtes Spiel. Dass ein grüner Minister derart geschmeidig sein würde, hätten die Agrarlobbyisten vermutlich in ihren kühnsten Träumen nicht erhofft.
So ist das Ministerium überflüssig
Eine grüne „Hausfreundschaft“ zwischen Agrar- und Umweltministerium hat das alles noch verschlimmert. In der Theorie hätte sie helfen können, der Landwirtschaft mehr Leistungen für Natur und Umwelt abzuringen, eine echte Chance. In der Praxis aber brachte sie das Umweltministerium zum Schweigen. Jenes Haus also, das in der Vergangenheit noch am ehesten verhindern konnte, dass sich das Agrarministerium nur mit den Wünschen und Bedürfnissen der Bauern befasste – statt auch mit denen von Land, Verbrauchern und Natur.
Hinter all dem steckt auch ein strukturelles Problem. Es gibt in Deutschland kein Autoministerium, kein Ministerium für Dienstleistungen und keines für die Industrie. Wohl aber eines für eine Branche, die nur noch gut einem Prozent der Beschäftigten im Land Arbeit gibt. Fraglos ist das eine Gruppe mit besonderer Bedeutung für das Gepräge Deutschlands – doch ihr Einfluss am Kabinettstisch ist unverhältnismäßig groß. Minister, die obendrein um der Karriere willen jeden Konflikt mit den Bauern scheuen, machen das Ministerium überflüssig.