CDU-Vorsitz:Mit 66 Jahren

CDU-Vorsitz: Im Umbruch: Die CDU droht ihren Charakter als Volkspartei zu verlieren, sollte sich ihre Talfahrt bei den Landtagswahlen 2022 fortsetzen.

Im Umbruch: Die CDU droht ihren Charakter als Volkspartei zu verlieren, sollte sich ihre Talfahrt bei den Landtagswahlen 2022 fortsetzen.

(Foto: Reiner Zensen/imago images)

Friedrich Merz soll für den Neuanfang stehen? Es sieht so aus, als könnte ihm das gelingen. Zumindest im Moment.

Kommentar von Robert Roßmann

Es hat in der Politik schon so manches Comeback gegeben, aber vermutlich keines wie dieses. Fast 20 Jahre nachdem ihn Angela Merkel aus der ersten Reihe der Politik verdrängt hat, kehrt Friedrich Merz dorthin zurück. Am Samstag soll er zum CDU-Chef gewählt werden. Das allein ist schon eine Zäsur. Die Ära Merkel in der Union geht damit endgültig zu Ende. Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet, die beiden Kurzzeit-Vorsitzenden, waren ja noch Merkelianer. Von Merz hat das nie jemand behauptet.

Aber der Parteitag am Samstag wird nicht nur wegen der Merz-Wahl ein tiefer Einschnitt in der CDU-Geschichte. Denn es soll praktisch die gesamte Parteispitze ausgetauscht werden. Es wird nicht nur einen neuen CDU-Chef geben. Auch der Generalsekretär und vier der fünf stellvertretenden Vorsitzenden sollen ersetzt werden. Die CDU macht Tabula rasa.

Das ist nach der schweren Wahlniederlage auch bitter nötig. Die Partei liegt am Boden. 1969 und 1998 hat sie das Kanzleramt ebenfalls räumen müssen, damals war ihr Ergebnis aber nicht so schlecht, dass der Volkspartei-Charakter auf dem Spiel stand. Und damals war die CDU inhaltlich nicht dermaßen ausgezehrt, wie sie es jetzt ist. Merz hat ja recht, wenn er sagt, die Partei müsse sich darum bemühen, intellektuell wieder satisfaktionsfähig zu werden.

Die Kunst, mit sich selbst ins Reine zu kommen

Aber ist der 66-jährige Merz der Richtige für diesen Neuanfang? Die Parteimitglieder haben diese Frage deutlich mit Ja beantwortet. Und vermutlich stimmt das auch, für den Moment. Eine Partei muss zunächst einmal mit sich selbst ins Reine kommen, bevor sie wieder andere begeistern kann. Das hat die SPD in den vergangenen Jahren erlebt - und bewiesen. Ohne die Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an die Parteispitze wäre die erfolgreiche Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz nicht möglich gewesen.

Vor allem aber braucht die CDU jetzt jemanden, der sich schonungslos um die Defizite der Partei kümmert. Merz war in den vergangenen Jahren nicht Teil des Apparats, er kann die Probleme unbefangener angehen als andere. Und diese Probleme sind gewaltig. Die CDU hat nicht nur die Bundestagswahl verloren. Ihr laufen auch die Mitglieder davon, das Durchschnittsalter der verbliebenen liegt inzwischen bei 60,8 Jahren.

Außerdem stehen in diesem Jahr vier Landtagswahlen an, bei denen die CDU aus der Regierung zu fallen droht. Bisher hat die Union im Bundesrat die Macht, vieles zu blockieren - und dadurch weiterhin Einfluss auf die Bundespolitik. Wenn sie bei den Landtagswahlen scheitert, ist die CDU endgültig ohnmächtig. Um das zu verhindern, muss sie als Allererstes wieder zu bürgerlichen Umgangsformen zurückfinden, nach der Schlammschlacht um die Kanzlerkandidatur und all den Durchstechereien.

Burgfrieden am Kirchsee

Und zumindest an dieser Stelle kann Merz schon vor seiner Wahl erste Erfolge vorweisen. Mit Markus Söder hat er eine Art Burgfrieden geschlossen, den die beiden mit den inszenierten Bildern vom Kirchsee auch öffentlich dokumentiert haben. Außerdem ist es Merz gelungen, ohne größere Verwerfungen und Indiskretionen eine neue Mannschaft für die CDU-Spitze zusammenzustellen. Und dieses Team macht nicht nur seine alten Freunde vom Wirtschaftsrat glücklich, sondern deckt tatsächlich die ganze Breite der Partei ab. Es steht zudem für einen Generationswechsel - die Frauen und Männer sind im Schnitt Mitte 40.

Merz will aber auch der Programmarbeit die Bedeutung geben, die seine Vorgänger nur versprochen haben. Die CDU-Mitglieder sollen wieder wissen, wofür die Partei steht. Und die Sozialpolitik - größte Leerstelle im Bundestagswahlkampf - soll nicht mehr vernachlässigt werden. Merz behauptet zumindest, diese Lehren aus der Wahlniederlage gezogen zu haben.

Der erste Test, ob Merz und seine CDU wirklich dazugelernt haben, steht allerdings noch bevor. Ende April läuft die Amtszeit von Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus ab. Merz würde gerne zusätzlich zum CDU-Vorsitz den Fraktionsvorsitz übernehmen - wie es Merkel vor 20 Jahren gemacht hat. Doch Brinkhaus möchte nicht weichen. Die Ersten in der Partei befürchten bereits, das könnte die nächste Schlammschlacht werden. Wenn es Merz nicht gelingt, den Konflikt einvernehmlich zu lösen, wäre es mit dem Neuanfang in der CDU gleich wieder vorbei.

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