Süddeutsche Zeitung

CDU:Die Parteichefin darf nicht länger schweigen

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In einigen CDU-Landesverbänden im Osten hat sich eine Stimmung gegen "Die da oben" breitgemacht, in Sachsen-Anhalt ist die Lage eskaliert. Parteichefin Kramp-Karrenbauer wirkt hilflos.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Wenn die CDU ihren Landesverband Sachsen-Anhalt nüchtern bewerten würde, müsste sie sich von ihm trennen. Der Landesverband stellt lediglich 1,5 Prozent aller CDU-Mitglieder, bereitet der Mutterpartei aber ein Problem nach dem anderen. In der Magdeburger Landtagsfraktion gibt es Abgeordnete, die sich eine Zusammenarbeit mit der AfD vorstellen können. Die beiden CDU-Fraktionsvizes haben eine "Denkschrift" verfasst, in der sie verlangen: "Es muss wieder gelingen, das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen." Der Landespartei fiel es schwer, sich von einem CDU-Kreisvorstand mit Neonazi-Tattoo zu distanzieren.

Und jetzt das Schauspiel um den Rundfunkbeitrag: Ein CDU-Ministerpräsident wirft den CDU-Landesvorsitzenden aus dem Kabinett, weil der öffentlich einen Koalitionsbruch in den Raum gestellt hat - selbst altgediente Christdemokraten können sich nicht erinnern, wann es derlei zum letzten Mal gegeben hat.

Bei der Bundestagswahl 2017 kamen drei Prozent aller CDU-Stimmen aus Sachsen-Anhalt. Mit seinem Gebaren könnte der Landesverband im restlichen Bundesgebiet mindestens genauso viele Wähler davon abhalten, für die CDU zu votieren. Die Partei wird es ohnehin schwer haben, die Angela-Merkel-Wähler zu halten - Zweifel an der Abgrenzung der CDU gegenüber der AfD vergrößern das Problem. Aber warum reagiert die Bundes-CDU trotzdem so zurückhaltend auf das parteischädigende Treiben in Magdeburg? Natürlich kann sich die Bundes-CDU nicht einfach von einem Landesverband trennen. Klare Worte und deutliche Taten, die dürfte man aber schon erwarten.

Flirten mit der AfD

Stattdessen hat Annegret Kramp-Karrenbauer erst tagelang geschwiegen und dann nur eine dürftige Stellungnahme abgegeben. Sie lobte den CDU-Ministerpräsidenten - und schob den Ball SPD und Grünen zu, die sich im Streit um den Rundfunkbeitrag jetzt "ihrer staatspolitischen Verantwortung bewusst werden" müssten. Als ob sich nicht vor allem diejenigen ihrer staatspolitischen Verantwortung bewusst werden müssen, die hinter dem Rücken des eigenen Ministerpräsidenten mit Rechtsradikalen flirten. Dazu fand sich aber kein Wort in Kramp-Karrenbauers Stellungnahme. Denn die CDU-Chefin glaubt, dass öffentliche Kritik die Lage in Magdeburg nur noch verschärfen würde.

Im Februar hatte sich Kramp-Karrenbauer in Thüringen darum bemüht, die Wahl eines Ministerpräsidenten mit Stimmen von CDU und AfD zu verhindern. Sie scheiterte - am Ende stand ihre Rückzugsankündigung als Parteichefin. In vielen ostdeutschen CDU-Landesverbänden hat sich eine Wir-da-unten-gegen-die-da-oben-Stimmung breitgemacht, gegen die mit Argumenten kaum noch anzukommen ist. Außerdem fehlt es oft an Personal, mit dem man Differenzen professionell besprechen und ausräumen kann. In Mecklenburg-Vorpommern ist die CDU-Führung in einem desolaten Zustand. In Thüringen war Mike Mohring keine Hilfe für Kramp-Karrenbauer. Und in Sachsen-Anhalt ist der bisherige Landesvorsitzende Holger Stahlknecht eines der größten Probleme.

Wenn die Strategie der Zurückhaltung der falsche Weg ist

Dass Kramp-Karrenbauers Strategie der Zurückhaltung trotzdem falsch ist, zeigt jedoch gerade das Beispiel Sachsen-Anhalt. Die Bundes-CDU ist bisher beinahe therapeutisch mit dem Landesverband umgegangen, trotzdem ist die Lage eskaliert. Es gibt Situationen, in denen darf man einfach nicht mehr schweigen - auch weil es um zu viel geht. Das sollte jetzt auch Kramp-Karrenbauer einsehen.

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