Es ist immer wieder erstaunlich, zu welchen Verrenkungen Politiker in der Lage sind. "Nicht die letzten 16 Jahre CDU-geführter Bundesregierungen sind das Problem unseres Landes, sondern die letzten 16 Wochen unter der Führung der Ampelkoalition", hat Friedrich Merz jetzt gesagt. Nur zur Erinnerung: Das ist derselbe Mann, der einmal erklärt hat, das Erscheinungsbild von Merkels Regierung sei "grottenschlecht". Und nun relativiert ausgerechnet dieser Merz die vielen Defizite der Ära Merkel.
Ja, die Ampel-Parteien haben in den vergangenen Wochen tatsächlich keinen guten Eindruck gemacht. Von der "Kultur des Respekts", die sie in ihrem Koalitionsvertrag versprochen haben, ist nicht mehr viel zu spüren. Vor allem Grüne und FDP lassen kaum eine Gelegenheit aus, sich zu streiten. Es dauert viel zu lange, bis Entscheidungen zur Laufzeit der Atomkraftwerke oder zur Dämpfung der gestiegenen Energiekosten fallen. Aber dabei sollte man nicht übersehen, was der Kern dieses Problems ist: Deutschland hat sich unter CDU-geführten Regierungen trotz vieler Warnungen abhängig von Energielieferungen aus Russland gemacht.
Frank-Walter Steinmeier, lange Merkels Außenminister, hat bereits im April Fehleinschätzungen in der Russland- und Energiepolitik eingeräumt. Auch deshalb ist es ärgerlich, dass Angela Merkel bis heute nicht eingesteht, dass sie zumindest aus heutiger Sicht Fehler begangen hat. Und dass sie stattdessen einen Wohlfühltermin an den anderen reiht. Dass jetzt aber ausgerechnet der ewige Merkel-Antipode Merz die Fehler der Kanzlerin relativiert, ist ein politischer Treppenwitz.
Zur Bilanz von 16 Jahren Merkel gehören ja auch der mangelhafte Klimaschutz, der Rückstand bei der Digitalisierung, der jämmerliche Zustand der Bundeswehr, die ungelösten Probleme im Renten- und Pflegesystem und vieles mehr. Für einen billigen Angriff auf die Ampel scheint Merz all das auf einmal vergessen zu haben.