Legalisierung von Cannabis:Einen Versuch ist's wert

Die Pläne von Gesundheitsminister Lauterbach für den Umgang des Staates mit der Droge sind vernünftig.

Kommentar von Rainer Stadler

Nicht für jede Zeitenwende braucht es offenbar ein Machtwort des Kanzlers, schon im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP beschlossen, was lange umstritten war: die "kontrollierte Abgabe" von Cannabis an Erwachsene in lizensierten Geschäften. Die nun bekannt gewordenen Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, den Kauf und Besitz von bis zu 20 Gramm Cannabis zu erlauben, müssen deshalb niemanden überraschen - ebenso wenig wie die Kritik seines bayerischen Ministerkollegen Klaus Holetschek: Er sieht darin "eine weitere Verharmlosung der Risiken durch diese Droge".

Bis das Gesetz dazu tatsächlich steht, wird noch einige Zeit vergehen, Experten warnen, dass die Legalisierung mit europäischem Recht kollidieren könnte. Schwierig dürfte sich auch der Aufbau von Lieferketten gestalten, die das staatlich genehmigte Gras in die deutschen Coffeeshops bringen. Das alles wird jedoch kaum die Vorfreude von Konsumentinnen und Konsumenten trüben, die sich die Zutaten für ihren Joint bisher nachts im Stadtpark besorgen mussten - ohne genau zu wissen, was den erworbenen Tütchen sonst noch alles beigemischt war. Und auch bei der Polizei wird sich die Trauer darüber in Grenzen halten, nicht mehr in Mannschaftsstärke ausrücken zu müssen, sobald irgendwo am Horizont Marihuana-Schwaden wabern.

Es geht eben nicht um eine Verharmlosung der Droge, sondern um mehr Kontrolle. Für Jugendliche bleiben Besitz und Konsum von Cannabis illegal, wer dagegen verstößt, soll verpflichtet werden, Präventionskurse zu besuchen. Im Umfeld von Schulen soll es keine Coffeeshops geben, Werbung für Cannabis soll überall verboten bleiben. Ob das reicht, um Jugendliche vor den Gefahren der Droge zu schützen, muss sich zeigen. Aber es ist ein ernst zu nehmender Versuch. Der um das Wohl der Jugend so besorgte Minister Holetschek sollte dringend etwas Vergleichbares für Alkohol einfordern: wie man dafür sorgen könnte, dass die nicht länger so einfach an diese Droge herankommt.

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