Süddeutsche Zeitung

Bundesregierung:Ein bisschen Magie

Olaf Scholz hat der Bundeswehr 100 Milliarden Euro zusätzlich versprochen. Das weckt Begehrlichkeit auch ganz woanders.

Von Henrike Roßbach

In der irischen Mythologie gibt es die Gestalt des Leprechaun, ein kleiner, gewitzter Kobold, der am Ende des Regenbogens einen Topf voll Gold versteckt haben soll. Seine Zaubermünzen, so heißt es, kehrten immer wieder in die Hand desjenigen zurück, der sie ausgegeben hat.

Einen Topf voll Gold hat nun auch die Bundesregierung versprochen. Nicht am Ende des Regenbogens, sondern gänzlich mythenfrei als Sondervermögen jenseits des Bundeshaushalts. Doch der Weg dorthin, das zeigt sich gerade, ist beinahe ebenso verzwickt wie der zum Schatz des Leprechaun.

Hängen an den Herzensprojekten

100 Milliarden Euro für die Bundeswehr hat Bundeskanzler Olaf Scholz vor einer Woche in Aussicht gestellt, über zusätzliche Kredite und abgesichert im Grundgesetz. Die erste Reaktion in Berlin war Verblüffung, denn außerhalb eines sehr kleinen Kreises von Mitwissern hatte niemand geahnt, was der Kanzler vorhat. Nachdem sich inzwischen alle einigermaßen erholt haben, herrscht rege Betriebsamkeit. Nicht nur im Finanzministerium, wo die Grundgesetzänderung und der Wirtschaftsplan für das Sondervermögen erarbeitet werden müssen. Sondern auch unter den Fachpolitikern im Bundestag.

Die Konfliktlinien verlaufen grob gesagt so: Die FDP-Fraktion ist ziemlich einverstanden mit dem Sondervermögen; die Stärkung der Bundeswehr entspricht der Parteilinie. Allerdings legen die Haushälter genau wie ihr Finanzminister Christian Lindner Wert darauf, dass der neue Geldtopf nicht als Startsignal für beliebige weitere missverstanden wird. Auch die Schuldenbremse soll vom nächsten Jahr an wieder greifen. Grüne und SPD-Linke wiederum wollen verhindern, dass ihre eigentlichen Herzensprojekte - vom Klimaschutz bis zur Sozialpolitik - zu kurz kommen angesichts all der Milliarden für Munition, Kampfflugzeuge und Nachtsichtgeräte.

Tatsächlich soll mit der Konstruktion eines grundgesetzlich abgesicherten Sondervermögens genau das vermieden werden. Weil die Aufrüstung sich off the books abspielt, könnten im Kernhaushalt sogar Spielräume entstehen. Denn ursprünglich hatte Lindner den Verteidigungsetat anheben wollen, alleine dieses Jahr um etwa drei Milliarden Euro. Wenn er das nun in geringerem Maße tun muss, entsteht Luft. Das hat zwar durchaus etwas von Haushaltsschummelei, der Effekt aber ist unbestritten. Eingeschränkt würden künftige Finanzminister nur, falls ein Tilgungsplan beschlossen würde und irgendwann die Rückzahlungen anstehen.

Zur "Sicherheit" gehören nicht nur lange Unterhosen

Aktuell prägt die Debatte deshalb weniger die Sorge um die ursprünglichen Ampelprojekte. Stattdessen haben sich die Kritiker darauf verlegt, wahlweise nun auch mehr Geld für Politikfelder jenseits des Militärischen zu verlangen - oder den Verwendungszweck "Sicherheit" im Sondervermögen einfach großzügiger zu interpretieren. Nach dem Motto: Zur Sicherheit gehören nicht nur lange Unterhosen für Soldaten, sondern auch mehr erneuerbare Energien und mehr Hilfe für Menschen in Not oder auf der Flucht.

Das aber würde das Vorhaben torpedieren, den in Teilen peinlichen Zustand der Bundeswehr mit einem Befreiungsschlag zu beenden. Gleichzeitig würde das Signal abgeschwächt, das Deutschland an seine Partner senden will: von nun an einzustehen für die gemeinsame Sicherheit, selbst falls es schmerzt. Denn auch wenn ein Sondervermögen ein bisschen Haushaltsmagie ist - Zaubermünzen, die immer wieder zum Besitzer zurückkehren, finden sich nicht in diesem Topf.

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