Bundeswehr:Die Fähigkeitslücke

Ein Kuriosum: Deutschland liefert der Ukraine in Form der Flugabwehrpanzern eine Technologie, die der Bundeswehr selbst fehlt.

Kommentar von Joachim Käppner

Am Anfang wollten die Deutschen nur "Verteidigungswaffen" für den Existenzkampf der Ukraine liefern. Das sollte wohl moralisch unbedenklicher klingen. Die meisten Kriegswaffen lassen sich freilich zur Defensive wie zur Offensive gleichermaßen gebrauchen, andernfalls hätte, nur zum Beispiel, die ihr Land verteidigende Rote Armee die Wehrmacht 1942 bei Stalingrad nicht durch einen Großangriff besiegen können. Auch der mit Schnellfeuergeschützen ausgestattete Flugabwehrpanzer Gepard ist daher für beides zu gebrauchen - oder wäre es, hätte die Bundeswehr das betagte Gefährt nicht bereits vor zwölf Jahren ausgemustert.

Erstaunlicherweise hat die Industrie noch eine Anzahl der Stahlkolosse behalten, die jetzt an die Ukraine gehen sollen. Unabhängig von der ungeklärten Frage, ob es überhaupt noch genug Ersatzteile und Munition dafür gibt, was das Gerät den von Putins Mordfeldzug bedrängten Ukrainern also wirklich nutzt: Deutschland liefert der Ukraine eine Waffentechnik, über die es selbst so gut wie nicht mehr verfügt. Dieses Kuriosum zeigt pars pro toto, wie stiefmütterlich die Bundeswehr spätestens seit Beginn der Ära Merkel behandelt wurde: Die Gepard-Panzer wurden niemals ersetzt, weil die Politik die Landes- und Bündnisverteidigung damals als so was von gestern betrachtete und Auslandseinsätze als einziges Gebot der Stunde galten. Ähnliche, aber hochmoderne Systeme wie Mantis kamen nur in so winzigen Stückzahlen zur Truppe, dass sie im Verteidigungsfall wenig ausrichten würden. Für solche Mängel hat die Bundeswehr ein eigenes Wort geprägt: die Fähigkeitslücke.

In der Ausrüstung, soll das bedeuten, klafft eine Lücke, welche die Armee unfähig macht, eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen, selbst wenn diese Aufgabe eigentlich unverzichtbar wäre - wie die eigenen Truppen mit Schnellfeuerkanonen gegen angreifende Hubschrauber, Drohnen und Tiefflieger zu schützen. Die Bundeswehr braucht die 100 Milliarden Sondervermögen wirklich dringend.

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