Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr:Die Soldaten bekommen eine zweite Chance

Das Kommando Spezialkräfte (KSK) bleibt bestehen, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer vertraut den Selbstreinigungskräften der Bundeswehr. Das ist ebenso richtig wie riskant.

Kommentar von Joachim Käppner

Eines kann man Annegret Kramp-Karrenbauer sicher nicht vorwerfen: dass sie es sich leicht gemacht hätte beim Umgang mit den scheußlichen Skandalen beim Kommando Spezialkräfte (KSK). Der an der Spitze des Verteidigungsministeriums früher nicht unübliche Gestus eiliger Distanzierung und einsamer Entscheidungen über alle Beteiligten hinweg ist ihre Sache nicht. Sie hätte, was ja durchaus eine Option gewesen wäre, das KSK einfach auflösen können und sich so im Wahljahr als harte Entscheiderin präsentiert. Stattdessen vertraut sie der Bundeswehr, dass sie das tut, womit sie die Ministerin beauftragt hat: "mit eisernem Besen auszukehren" beim KSK.

Das ist mutig, um nicht zu sagen riskant, weil der Erfolg alles andere als garantiert ist. Für die Bundeswehr war das KSK zuletzt mehr ein Klotz am Bein als jene militärische Elite, die es sein soll, ein Problemfall, geradezu ein Symbol für alles, was in den Streitkräften nicht stimmt. Anders als die Vorgänger und die Vorgängerin hat Kramp-Karrenbauer allerdings ihre Versprechen wahr gemacht, in Calw gründlich auszumisten. Belastete mussten gehen, jene Einsatzkompanie, bei der es die meisten der widerwärtigen rechtsextremen Vorfälle gegeben hatte, ließ sie auflösen. Abläufe, Vorgänge, Personal wurden durchleuchtet wie nie zuvor, die angeordneten Reformen durchgesetzt.

Das KSK ist ein Geheimbund aus Männern. Das darf so nicht bleiben

Man darf dabei nicht vergessen, dass der Ungeist, der im KSK umging (ein giftiges Gemisch aus erzrechten bis offen neonazistischen Einstellungen und üblem Korpsgeist), immer Sache einer Minderheit war - die man freilich viel zu lange tolerierte und das Klima verderben ließ. Für die Armee eines demokratischen Staates war dies eine Schande, auch für die politische Führung. Allerdings: Auch viele KSK-Soldaten zeigten sich entsetzt über die rechtsradikalen Umtriebe, nicht wenige haben aktiv zur Aufklärung beigetragen. Sie sind es, die jetzt die Chance verdient haben, einen neuen Geist zu prägen. Wenn es also einen geeigneten Zeitpunkt zur Umkehr gibt, dann jetzt, nach dem großen Aufräumen.

Das wird aber nur funktionieren, wenn das KSK keine eigene, von der übrigen Bundeswehr streng abgeschottete Welt bleibt, die eigenen Regeln und ungeschriebenen Gesetzen folgt. Auch die absolute Geheimhaltung, die ihm auferlegt war, erwies sich mehr als Fluch denn als Nutzen. Die US-Navy Seals, der britische SAS, die israelische Sajeret Metkal halten vieles geheim, naturgemäß, und doch sind sie in der Öffentlichkeit ihrer Länder weit präsenter; diese hat eine Vorstellung davon, was dort vorgeht und warum sich ihr Militär solche Elitetruppen leistet: zur Befreiung von Geiseln, zu Einsätzen gegen Terroristen. Das KSK hingegen erschien wie ein schwarzes Loch, und das einzige, was von dort herausdrang, waren Berichte über gestohlene Munition, Saufgelage mit Schweineköpfen und Nazirock sowie rechtsextreme Verdachtsfälle.

Wachsamkeit, bessere Auswahlverfahren und gründlichere Überprüfungen werden nötig sein, wenn die Umkehr gelingen soll. Und das KSK sollte sich selbst weiter öffnen und zum Beispiel auch Frauen aufnehmen; es wäre ein Stück nötige Normalität. Die Ministerin jedenfalls hat mit Augenmaß gehandelt, innerhalb der Streitkräfte ist ihre Autorität dadurch eher gestiegen. Jetzt muss sie hoffen, dass ihr Vertrauen in die Selbstreinigungskräfte der Bundeswehr sich auszahlt.

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