Verteidigung:Das Nichtbeschaffungsamt

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Schon mehren sich die Stimmen, bei den 100 zusätzlichen Milliarden Euro für die Bundeswehr durch Ausschreibungen Geld zu sparen. Klingt gut, aber: Genau so wurde der Bundeswehr ihr lähmendes Einkaufswesen aufgedrückt.

Von Mike Szymanski

Die Marine soll zwei neue Tankschiffe bekommen. Man ahnt es: Natürlich gibt es auch bei diesem - auf dem ersten Blick wenig spektakulären - Rüstungsvorhaben Probleme: 870 Millionen Euro sollen die beiden Schiffe kosten - viel zu viel, meinen Rechnungsprüfer und Haushaltspolitiker, verbunden mit der Kritik, dass der Auftrag nicht europaweit ausgeschrieben wurde. Der Fall ist exemplarisch - und der Zeitpunkt sogar ideal, um der Frage nachzugehen, unter welchen Prämissen die Bundeswehr neues Gerät anschafft: Denn als Konsequenz aus dem Krieg in der Ukraine soll die Bundeswehr in den nächsten Jahren 100 Milliarden Euro zusätzlich ausgeben können.

Wer jetzt nach mehr Ausschreibungen ruft und lautstark fordert, das gehe doch bestimmt billiger, sollte lieber die Beschaffungspolitik der vergangenen Jahre unter die Lupe nehmen: Unter der früheren Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) war die Einkaufspolitik umgestellt worden: Mehr Wettbewerb, weniger Macht bei der Industrie - das war ihr Versuch, günstiger und effektiver Material für die Truppe anzuschaffen. So richtig das Ansinnen im Prinzip auch gewesen sein mag, in der Praxis ist es kläglich gescheitert. Es hat die Beschaffung nicht beschleunigt, sondern fast zum Erliegen gebracht.

Noch immer hat die Bundeswehr beispielsweise kein Nachfolge-Modell für das G-36-Sturmgewehr, denn das Vergabeverfahren landete schließlich vor Gericht, wo sich die beiden Anbieter auch noch Patentrechtsstreitigkeiten liefern. Zur Erinnerung: Es war von der Leyen, die 2015 erklärte, dass die Bundeswehr ein neues Gewehr brauche. 2019 sollten eigentlich die ersten Gewehre geliefert werden. Stattdessen ist die Beschaffung ein Fall für Anwälte und Richter geworden. Das Beschaffungsamt der Bundeswehr lähmt sich selbst, weil angebliche "Rechtssicherheit" bei der Auftragsvergabe wichtiger geworden ist, als die Truppe zügig und angemessen auszustatten.

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