Abstimmung zum Bundestag:Ohne Menschen wie ihn gäb’s keine Wahl

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Wahlhelfer Michael Ahn empfindet das deutsche Wahlsystem als altmodisch, aber es ist eben auch sehr sicher. (Foto: Karin Janker)

Michael Ahn zählt auch an diesem Sonntag wieder Stimmzettel aus – seit 30 Jahren macht er das schon, bei jeder Wahl in Weilheim. Es sind Helfer wie er, die die Demokratie am Laufen halten.

Von Karin Janker

Mit der Wahl ist es für Michael Ahn wie mit dem Kachelofen in seinem Haus. „Ohne Ofen kein Haus“, sagt er. Und ohne Wahlen keine Demokratie. „Wir haben unser Haus um diesen Ofen herumgebaut.“ Michael Ahn sitzt auf seiner Eckbank im oberbayerischen Weilheim, es ist die Woche vor der Bundestagswahl. In der Mitte des großen Raumes: ein Holzofen mit angeschlossenem Herd. Hier wird im Winter geheizt, gekocht und gebacken. Wie vor hundert Jahren. Und so ist das eben auch mit den Wahlen: Natürlich sei das alles ein bisschen altmodisch mit den Wahlkabinen, den Zetteln und Kreuzchen und dann diese Auszählerei, manchmal bis Mitternacht. Aber es ist eben auch das Sicherste, was Ahn sich vorstellen kann. „Das zentrale Instrument unserer Demokratie, das kannst du nicht hacken wie einen Computer.“

Michael Ahn, 60, ist kein pathetischer Mensch, aber wenn er davon spricht, warum er seit inzwischen 30 Jahren bei jeder Wahl als Wahlhelfer dabei ist, klingt seine Stimme direkt ein bisschen tiefer. Ehrenamtliche Wahlhelfer gibt es kaum noch, die meisten sind im öffentlichen Dienst und bekommen die Arbeitsstunden gutgeschrieben, Ahn nicht. Er hat das Amt von seinem Vater übernommen, der war Schlosser in Weilheim, außerdem kurz Stadtrat. Für die CSU, natürlich. 30 Jahre war Michael Ahn alt bei seiner ersten Wahl; am Sonntag wird es seine achte Bundestagswahl sein, dazu Landtags-, Kreistags-, Kommunal- und Europawahlen.

Es gefällt ihm, dass eine Wahl immer noch so abläuft wie damals, als er das Amt von seinem Vater übernahm

Die Demokratie in der Bundesrepublik funktioniert an Wahltagen wie ein Räderwerk. Aber sie funktioniert nur wegen Menschen wie Michael Ahn. Ohne Wahlhelfer keine Wahl.

Michael Ahn ist in Weilheim geboren, aufgewachsen und auch während seines Studiums im nahen München hiergeblieben. Dann die Festanstellung bei Siemens. Ahn mag es, wenn Dinge Bestand haben. Als Informatiker hätte er zwar Ideen, wie man den Wahlvorgang innovativer oder das Auszählen effizienter gestalten könnte. Aber es gefällt ihm auch, dass die Wahl noch immer so abläuft wie damals, als sein Vater die Stimmen der Weilheimer gezählt hat.

Acht Wahlhelfer werden in seinem Wahllokal arbeiten, in zwei Schichten. Zwei von ihnen kontrollieren die Ausweise und geben die Stimmzettel aus, einer ist Schriftführer und hakt im Wählerverzeichnis die Namen ab, der Vierte ist Wahlvorsteher, der mit dem Zettel auf der Urne; das ist Ahns Rolle.

Gültig oder ungültig – die entscheidende Frage dabei lautet: Ist der Wählerwille eindeutig erkennbar?

Sobald am Sonntag die Wahllokale schließen, beginnt ein Ablauf, bei dem ein Rädchen ins andere greift: Die Urne wird geöffnet, die Wahlscheine werden aufgefaltet, dann die eindeutig ungültigen Stimmen von den gültigen und den Zweifelsfällen getrennt. Letztere machen den Wahlhelfern am meisten Schwierigkeiten: Über jeden Wahlzettel, auf dem nicht einfach zwei Kreuze sind, müssen die Helfer abstimmen. Ist hier der Wählerwille eindeutig erkennbar? „Früher galt ein Smiley noch als erkennbarer Wählerwille, das ist jetzt ungültig“, sagt Ahn. Immer wieder komme es vor, dass sich jemand verschreibt und korrigiert. „Wenn klar ist, was der Wähler will, wird die Stimme gezählt.“

Dann wird ausgezählt. Und sich auch manchmal geärgert, wenn die Falschen die Stimmen kriegen. „Aber mei, da ist man im Amt und aus“, sagt Ahn. Am Ende werden vor Michael Ahn drei Stapel liegen – gültige Stimmzettel, ungültige Stimmzettel und die Zweifelsfälle – plus Wahlniederschrift und ein hoffentlich korrekt abgehaktes Wählerverzeichnis. Nicht ein Haken mehr oder weniger als Stimmzettel in der Urne darf es sein. Sonst wird noch mal gezählt. Und dann noch mal.

Gegen halb acht Uhr am Sonntagabend wird Michael Ahn die Schnellmeldung mit den ausgezählten Zweitstimmen ans Rathaus telefonieren und später am Abend dann die versiegelten Kuverts mit allen Unterlagen persönlich dort abgeben. Ahn bekommt für seinen Einsatz 50 Euro. Eine Kleinigkeit habe sich im Laufe der Jahre schon geändert: Früher zahlte der Bürgermeister das „Erfrischungsgeld“ noch in bar aus, inzwischen muss Ahn seine Kontonummer angeben.

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