Wer im notorisch griesgrämigen Deutschland fragt, ob das Glas halb voll oder halb leer ist, muss die Antwort meist gar nicht abwarten. So auch im Fall des Haushalts 2025, den der Bundestag jetzt mit den Stimmen von Union und SPD verabschiedet hat. Ja, sicher, heißt es etwa bei den oppositionellen Grünen, die Kombination aus Kernetat und Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungs- und Infrastrukturinvestitionen sorge schon dafür, dass mehr Geld für die Sicherheit und die Modernisierung des Landes zur Verfügung stehe als bisher. Dennoch habe die Bundesregierung mit dem Haushalt „eine historische Chance vermasselt“.
Das ist, mit Verlaub, Unsinn. Natürlich ist es völlig legitim, das Erstlingswerk des immer noch recht neuen Finanzministers Lars Klingbeil zu kritisieren. Dem Etat fehlt eine Handschrift, er setzt keine Prioritäten, die Planung für die Folgejahre ist übersät mit Löchern, und nicht jeder Euro, der dank der erweiterten Verschuldungsmöglichkeiten zusätzlich aufgenommen wird, fließt eins zu eins in die Sanierung von Brücken und Schienen. Für all das gibt es jedoch Gründe: So hatte die neue Regierung für die Aufstellung der Haushalte 2025 und 2026 nur wenige Wochen Zeit, zudem musste sie erst einmal die riesigen Lücken im Zahlenwerk schließen, das ihnen die Ampelvorgänger – und damit auch die Grünen – freundlicherweise hinterlassen hatten.
Bis 2029 fehlen noch mehr als 170 Milliarden Euro. Und das ist nicht einmal die ganze Wahrheit
Spätestens der Etat 2027 allerdings, für den die Vorarbeiten bereits laufen, wird Klingbeil ganz anders fordern, denn es rollt eine gewaltige Problemlawine auf ihn zu. Der Minister hat bereits eingestanden, dass in seiner Mittelfristplanung für die Jahre 2027 bis 2029 noch mehr als 170 Milliarden Euro fehlen. Und das ist nicht einmal die ganze Wahrheit. Wer sich diese Planung genauer anschaut, entdeckt vielmehr zwei weitere Tretminen.
Da sind zunächst die Gesamtausgaben, die sich bis Ende des Jahrzehnts von heute 503 auf 574 Milliarden Euro erhöhen sollen. Das entspricht einem Plus von 3,3 Prozent pro Jahr und klingt damit erst einmal unauffällig. Schaut man sich die Zahlen allerdings genau an, zeigt sich, dass der Anstieg fast ausschließlich den massiv steigenden Zins- und Sozialkosten geschuldet ist. Viele andere Etats dagegen stagnieren nicht nur, sie schrumpfen sogar kräftig. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche etwa soll 2029 mit 18 Prozent weniger Geld auskommen als heute, Gesundheitsministerin Nina Warken und Forschungsministerin Dorothee Bär müssen sich auf ein Minus von elf beziehungsweise sieben Prozent einstellen. Damit sind harte Verteilungskämpfe programmiert.
Was da hilft? Im sozialen Bereich kürzen, Subventionen abbauen oder die Erben großer Vermögen kräftig besteuern
Die zweite Tretmine ist eine Folge der ersten, auf sie hat jüngst das Berliner Dezernat Zukunft hingewiesen. Die Wirtschaftsforscher haben berechnet, dass die Manövriermasse im Bundeshaushalt, also der Anteil der Ausgaben, der nicht langfristig rechtlich gebunden ist, bis Mitte des kommenden Jahrzehnts von heute 24 auf nur noch drei Prozent schrumpfen könnte. Selbst wenn sich ein Teil des Problems durch mehr Wirtschaftswachstum in Luft auflösen würde, verlöre die Politik damit fast jeden Handlungsspielraum.
Abhilfe schaffen könnten nur deutliche Einschnitte im sozialen Netz, der massive Abbau von Subventionen oder kräftige Steuererhöhungen, etwa für die Erben großer Vermögen. Bisher spricht allerdings nicht viel dafür, dass Kanzler Friedrich Merz, sein Stellvertreter Klingbeil und der notorische Sozialkosten- und Subventionserhöher Markus Söder dafür gemeinsam die Kraft aufbringen werden.


